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Leichte Sprache / Deutsche Gebärdensprache

„Bei aller Automatisierung und Digitalisierung haben wir immer noch das Problem, dass es zu wenig Leute gibt“

Ein Warenlager. Mehrere Mitarbeiter laufen umher.
Wie kann es gelingen, Beschäftigte in einfacher Arbeit zu Fachkräften zu entwickeln? Das neue Projekt CONNECT will in den kommenden Jahren mit einem ganzheitlichen Ansatz Antworten finden. Im Gespräch erläutert Gerrit Küther, Geschäftsführer der ma-co maritimes competenzcentrum GmbH, worum es geht.
Interview: Anne-Katrin Wehrmann

Herr Küther, in Ihrem Projekt befassen Sie sich mit „Einfacharbeit“ – also Arbeiten, die nur eine kurze Einarbeitungszeit benötigen und kein hohes Qualifikationsniveau erfordern. Warum ist es wichtig, jetzt diese Berufsgruppe in den Fokus zu nehmen?

Küther: Einfacharbeit hat nach wie vor einen großen Anteil am Arbeitsmarkt, gerade auch in Bremen. Ein Indiz für einfache Arbeit ist unter anderem eine hohe Fluktuation, weil die Menschen oft nicht wirklich in den Unternehmen ankommen. Und wenn sie die Anfangsphase überstehen, werden ihnen häufig keine beruflichen Entwicklungsperspektiven geboten. So werden aus Chancen am Ende Rückschläge und Sackgassen, und das wollen wir ändern.

Es geht darum, die Menschen in den Unternehmen zu behalten, sie wertschätzend zu behandeln, ihre Potenziale zu erkennen und sie entsprechend zu qualifizieren. Das Projekt ist dann erfolgreich, wenn es uns unter anderem gelingt, die Fluktuation zu reduzieren und die Beschäftigungssicherheit zu steigern. Als Unternehmen muss ich mich mit den Menschen auseinandersetzen, und dafür brauche ich entsprechende Strukturen. Die zu schaffen, ist unser Kernziel.

Was genau verbirgt sich hinter CONNECT?

Küther: Entstanden ist das Projekt, weil wir in Bremen und auch in anderen Regionen feststellen, dass sowohl der Fachkräfte- als auch der Arbeitskräftebedarf insgesamt deutlich gestiegen ist. Gleichzeitig wird es gerade für Jobs, die keinen einschlägigen Berufsabschluss erfordern, immer schwieriger, Menschen zu mobilisieren und dann auch zum Bleiben zu motivieren. Bei aller Automatisierung und Digitalisierung haben wir immer noch das Problem, dass es zu wenig Leute gibt. Die Unternehmen müssen sich darum mit den Beschäftigten auseinandersetzen, die sie haben. Und sie müssen sich Strategien überlegen, wie sie an neue Leute herankommen. Genau da setzt CONNECT an. Ziel ist es, die Integration und Berufsentwicklung von Beschäftigten in einfacher Arbeit zu verbessern.

Wie genau soll das funktionieren?

Küther: Wir haben dafür einen Ansatz gewählt, der sowohl die Menschen in einfacher Arbeit als auch die operativen Führungskräfte und die Personalabteilungen in den Unternehmen umfasst. Dieser CONNECT-Ansatz, wie wir ihn nennen, vernetzt alle Beteiligten und nimmt dabei systematisch und konsequent die unterschiedlichen Perspektiven ein.

Letztlich geht es darum, die Kompetenzen und die Lern- und Arbeitsmotivation der Beschäftigten zu verbessern. Um das zu erreichen, bauen die beteiligten Unternehmen Personalentwicklungsstrukturen auf, die sich speziell an diese Zielgruppe richten. Dazu gehört ein umfassendes Onboarding ebenso wie transparente Berufsentwicklungspfade, regelmäßige Personalentwicklungsgespräche und entsprechende Schulungen von operativen Führungskräften und weiteren Personalverantwortlichen.

 Sie arbeiten also nicht nur mit den Beschäftigten, sondern vor allem auch mit den Unternehmen. Welche konkreten Herausforderungen gibt es da im Umgang mit den Betrieben und wie wollen Sie die lösen?

Küther: Ganz konkret müssen wir das Mindset in den Unternehmen aufbrechen und verändern. Das ist ein wichtiger Punkt und auch die Grundlage für alles, was kommt. Wenn diejenigen, die diese Strukturen leben sollen, also die Führungskräfte und die Personalabteilungen, das nicht wollen, dann wird es schwierig. Das wird vielleicht hier und da ein bisschen wehtun und größeren Einsatz erfordern. Aber wenn wir das Problem sehen, dass wir Arbeitskräfte und Fachkräfte brauchen, dann müssen wir etwas tun. Dann müssen wir andere Strukturen schaffen. Und dann müssen wir auch eine Motivation schaffen für die Mitarbeitenden, die qualifiziert werden sollen. Sie brauchen eine Chance, sich zu entwickeln – nicht nur horizontal, sondern auch vertikal in neue Positionen hinein.

Was werden die ersten Schritte sein?

Küther: Wir haben schon mehrere Unternehmen im Boot, die Letters of Intent unterschrieben haben. Mit denen werden wir uns zusammensetzen und im Rahmen von Kick-off-Terminen über Personalentwicklungsstrategien, verschiedene Modelle und Konzeptionen diskutieren. Daran wird sich dann das orientieren, was wir später an Schulungen anbieten und wie wir die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden gestalten.

Können Betriebe noch später mitmachen?

Küther: Am Anfang wollen wir ganz bewusst mit wenigen Unternehmen zusammenarbeiten, das aber sehr intensiv. Das heißt nicht, dass nicht irgendwann auch andere Betriebe dazukommen und partizipieren können. Letztlich wollen wir so eine Art Benchmark setzen auch für andere nach dem Projekt. Und ein Best Practice entwickeln, wie Unternehmen mit bestimmten Situationen am besten umgehen – das sich dann mit bestimmten Anpassungen auf andere Betriebe, Branchen und Regionen übertragen lässt.

Können Sie beispielhaft einige Maßnahmen benennen, die dabei herauskommen könnten? Oder ist das komplett offen und ergibt sich erst im Laufe des Projekts?

Küther: Das ist tatsächlich offen. Was wir schon überlegt haben: Hier in Bremen haben wir vor einiger Zeit mit anderen Unternehmen einen „Kompetenzpass“ entwickelt, ein modulares System aus mehreren unterschiedlichen Schulungseinheiten. So ein modulares System könnten wir jetzt für die einzelnen Branchen und Unternehmen des CONNECT-Projekts wieder zusammenbauen, damit die beteiligten Beschäftigten nachher einen werthaltigen Abschluss erhalten. Außerdem wollen wir in den Unternehmen so genannte Integrationskümmerer auf den Weg bringen. Sie sollen sich auch nach Abschluss des Projekts um das gesamte Thema Integration von neuen Leuten, aber auch von Menschen in einfacher Arbeit im Gesamtsystem, kümmern und als Patinnen und Paten fungieren.

Ist das Ganze auf bestimmte Branchen ausgerichtet oder offen für alle?

Küther: Wir haben verschiedene Branchen im Blick, in denen das Thema einfache Arbeit vorherrscht – zum Beispiel das Reinigungsgewerbe, die Gastronomie oder die Lebensmittelherstellung. Als ma-co kommen wir eher aus dem Bereich Logistik, wo ebenfalls viele Menschen ohne Berufsabschluss beschäftigt sind. Ein Schwerpunkt wird darum sicherlich der Bereich Lagerlogistik sein.

Als ma-co sind Sie hauptsächlich in der maritimen Branche unterwegs. Wie kommen Sie nun an Branchen wie Reinigungsgewerbe, Gastronomie oder Lebensmittelherstellung? Und was haben Sie davon?

Küther: Es gibt übergreifende Kompetenzen wie Kommunikation, Führung und IT, die wir auch in diesen Branchen vermitteln können. Wir wollten im Projekt ganz bewusst nicht nur Logistik betrachten, weil wir gesagt haben: Einfache Arbeit gibt es auch woanders, das wollen wir breiter angehen. Was wir als maritimer Bildungsträger letztlich davon haben, wird sich zeigen. Wir werden auf jeden Fall viel lernen, und das können wir dann wieder in unsere Kernbranchen transferieren. Es ist immer gut, auch links und rechts des Weges zu schauen.

Sie führen das Projekt in Bremen durch, weil hier einfache Arbeit weit verbreitet ist. Zugleich ist Bremen aber auch ein Fachkräftestandort: Wie kann der Standort mit Blick auf den Fachkräftebedarf von CONNECT profitieren?

Küther: Wir entwickeln ja Leute zu Fachkräften. Insofern werden wir den Pool an Fachkräften erhöhen, und das ist auch das Ziel – verschiedenste Kanäle zu nutzen, um in Bremen die Quantität und Qualität der Fachkräfte zu erhöhen. Darauf zahlt das Projekt komplett ein.
Unternehmen, die an dem Projekt interessiert sind, können sich jederzeit an Gerrit Küther wenden:

Gerrit Küther (Geschäftsführung)
ma-co maritimes competenzcentrum GmbH
Tel.: 0421/478779-0
Mobil: 0171/7489655
gerrit.kuether@ma-co.de
Info-Kasten:

Die ma-co maritimes competenzcentrum GmbH (kurz: ma-co) ist der Bildungsträger für die deutschen Seehäfen, die hafennahe Logistik sowie die gesamte maritime Wirtschaft. Sie ist aus den 1975 in Bremen und Hamburg gegründeten Hafenfachschulen hervorgegangen und wird von den Sozialpartnern der deutschen Häfen getragen. Neben der Weiterbildung von Beschäftigten qualifiziert ma-co auch Arbeitssuchende auf Basis der Bedarfssituationen in den Betrieben und macht sie für den ersten Arbeitsmarkt fit. Für das am 1. April gestartete dreijährige Projekt „CONNECT“ arbeitet der Bildungsträger mit der Soziale Innovation GmbH aus Dortmund zusammen, die auf Beratung und Forschung zum betrieblichen Personalmanagement spezialisiert ist. Das Projektvolumen beträgt knapp zwei Millionen Euro und wird zur Hälfte gefördert durch das Bundesprogramm „Wandel der Arbeit sozialpartnerschaftlich gestalten – weiter bilden und Gleichstellung fördern“. Die andere Hälfte setzt sich aus Eigenmitteln der Projektpartner sowie den Personal-Freistellungskosten der beteiligten Projektunternehmen (die sogenannten Teilnehmereinkommen) zusammen.

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