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Leichte Sprache / Deutsche Gebärdensprache

„Eine Unternehmenskultur kannst du nicht auf Postern drucken“

Ein Mann mit mittellangen lockigen braunen Haaren wird dabei gezeigt wie er etwas erklärt.

Stellensuche auf WhatsApp, Vorgesetzte als Teamcoaches und die Herausforderungen der Ausbildung auf dem Land – Unternehmen müssen heute neue Wege gehen, wenn sie Fachkräfte gewinnen und halten wollen. Zentraler Ansatzpunkt ist dabei die Unternehmenskultur.

Dieser Meinung ist zumindest Oliver Bartelt, Global Head of Corporate Communications der DMK Group. Der Lebensmittelkonzern mit Hauptverwaltung in Bremen beschäftigt weltweit 7.500 Mitarbeitende. Im Gespräch mit dem Bremer Staatsrat für Arbeit, Kai Stührenberg, über Fachkräftegewinnung, Unternehmenskultur und Employer Branding.

Kai Stührenberg: Herr Bartelt, zu Beginn zwei Thesen: Erstens, es wird nicht genug Fachkräfte für alle geben, sondern diejenigen werden profitieren, die das Thema zielgerichtet und effektiv angehen.

Bartelt: Das würde ich so unterschreiben.

These zwei: Man sollte jetzt anfangen, die Strukturen dafür zu schaffen, in fünf Jahren ist es zu spät.

Bartelt: Ganz klar, wir haben ja heute schon die Probleme durch mangelnde Fachkräfte. Wenn wir an unsere Molkereistandorte denken, da brauchen wir gut ausgebildete Expertinnen und Experten. Dafür gibt es wenige Hochschulen, denen es bereits heute an Studierenden mangelt und wo Studiengänge potenziell vor dem Aus stehen.

Wenn wir uns da nur die Absolvent:innen „abgreifen“, funktioniert das in Zukunft nicht mehr. Deshalb setzen wir schon eher an: Wie kriegen wir Leute in die Hochschule? Wie begeistern wir junge Menschen für das Thema „Ernährung“ als maximal sinnstiftendes Berufsfeld. Wir sind dabei, Stipendien aufzusetzen oder unsere eigenen Azubis dazu zu motivieren, weiter zu studieren nach der Ausbildung.

Was bilden Sie da aus?

Bartelt: Das sind zum Beispiel Milchtechnolog:innen. Die lernen, wie man aus Milch Käse macht. Das klingt erstmal banal – aber das sind hochspezialisierte Tätigkeiten, bei denen auf der einen Seite das Know-How steht, hochqualitative Lebensmittel herzustellen und gleichzeitig die großen Nachhaltigkeitsthemen der Zeit im direkten Arbeitsumfeld bewegen zu können. Stichwort Ressourcenschutz. Kurzum, das sind extrem spannende Berufsfelder mit sehr fundiert ausgebildete Menschen. Nicht umsonst sind unsere Azubis in der Regel Jahrgangsbeste.

Also: Selbst wenn Sie erfolgreich Leute ausbilden, ist es eine Herausforderung, diese zu halten.

Bartelt: Ja, Akquise und Bindung sind beides Herausforderungen. Das hat zudem auch eine geographische Dimension: Molkereien stehen meistens auf dem Land, selten in den Städten. Dort werden aber viele Fachkräfte ausgebildet. Wenn wir jedoch versuchen, in Bremen junge Leute für einen Job in Mecklenburg-Vorpommern auf dem Land zu begeistern, wird es erstmal schwierig.

Wie schaffen Sie es dann, Fachkräfte für Ihre ländlichen Standorte zu gewinnen?

Bartelt: Das Netzwerk muss lokal entstehen – oder man muss Leute finden, die von einer ländlichen Gegend in die andere wechseln möchten. Mit fast 7.500 Mitarbeiter:innen haben wir da einen guten Pool. Wir versuchen deshalb Fach- und Führungskräfte zu begeistern, neue Standorte aufzusuchen und dort neue Aufgaben wahrzunehmen, auch um den Karrierepfad weitergehen zu können.

Früher kamen hunderte Bewerbungen auf wenige Stellen, heute sieht es genau andersherum aus. Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Rekrutierung?

Bartelt: Es spielen drei Aspekte herein:

  1. Früher hat man Zeitungsanzeigen geschaltet. Heute gehen unsere Personalverantwortliche auf die Bewerbungsmessen, sprechen Leute direkt an. Junge Schulabgänger:innen wissen oft gar nicht, was sie im Leben machen wollen oder können. Aber wenn man mit denen ins Gespräch kommt, dann entwickelt sich daraus Interesse.
  2. Digitalisierung. Wir machen Azubirekrutierung zum Beispiel über einen Whatsapp-Chatbot. Dabei kommen die Bewerbenden über verschiedene Kampagnen zu diesem Chatbot, wie etwa QR-Codes auf Produkten oder auch Anzeigen auf Instagram und Co., also da, wo die Zielgruppe ist.
  3. Wir sind gerade dabei, unser Empfehlungsmanagement zu verbessern, bis hin zu finanziellen Anreizen bei der Anwerbung. Denn die eigenen Beschäftigten sind die besten Botschafter und können uns ideal weiterempfehlen.

Von selbst kommen Schüler:innen also kaum auf Sie zu?

Bartelt: Eher weniger. Viele junge Leute fragen heute: „Was bietet mir die Welt?“ Es gibt da eine andere Herangehensweise an Arbeit als das noch in den letzten Generationen war.

Wie gehen Sie mit dieser Erwartungshaltung um?

Bartelt: Wir arbeiten an uns und setzen an der Unternehmenskultur an. Wir haben etwa im November 2022 unsere Beschäftigten befragt: Was sind die Stärken der DMK? Interessanterweise kam da kein bunter Blumenstrauß heraus, sondern drei ganz konkrete Schwerpunkte. Und das nutzen wir jetzt als DMK in der Bewerbendenansprache: Wir kommunizieren die Werte, die auch wirklich gelebt werden. Diese Ehrlichkeit und Authentizität ziehen.

Welche drei Schwerpunkte waren das?

Bartelt: Wir haben drei Bereiche herauskristallisiert: 1. „Team DMK“ – wir verlassen uns aufeinander und ziehen gemeinsam an einem Strang, sind ein Team. 2. „Gutes Tun“ – wir stellen Lebensmittel her, die Millionen von Menschen ernähren, das ist eine Verantwortung, die wir haben. Und 3. „Perspektive“. Wir sind in einem Bereich unterwegs, wo man stark über Klima und Zukunft spricht. Das ist für viele Beschäftigte sehr wichtig.

Das merkt man auch bei Bewerbenden. Viele vertreten nachhaltige Werte. Die fragen sich dann schon, wie das zusammenpasst mit den teilweise sehr realitätsfremden Bildern, die rund um die Landwirtschaft immer wieder auftauchen. Aber wenn wir dann erklären, dass wir uns auch weiterentwickeln und was bewegen in Richtung vegane Produkte oder klimaneutrale Landwirtschaft, dann sind sie Feuer und Flamme.

Wie setzt man das in der Praxis um, dass diese Werte auch gelebt werden?

Bartelt: Nehmen wir Zum Beispiel unsere Stärke „Team DMK“. Unsere Führungskräfteentwicklung steht jetzt bei uns unter dem Motto „From Boss to Coach“. Die Führungskraft muss nicht größte Expertin oder Experte im Team sein, sondern „Trainer:in am Spielfeldrand“. Wir etablieren damit flachere Hierarchien und interdisziplinärere Teams.

Die Werte kommen also aus der Führungsetage?

Bartelt: Vorleben ist alles. Aber es muss nicht zwingend eine Einbahnstraße sein. Das Vorleben der Werte kann auch nach rechts und links wirken, wenn zum Beispiel einzelne Abteilungen Vorreiter sind. Eine Unternehmenskultur kannst du nicht auf Postern drucken und damit hat es sich. Die muss man leben. Wenn Mitarbeiter:innen Fans des eigenen Unternehmens und der eigenen Produkte sind – dann läuft vieles von selbst. Zu „We love what we do“ gehört auch „Machen lassen“.

Wie kommt man an diejenigen ran, die da nicht mitmachen oder einfach persönlich andere Prioritäten haben?

Bartelt: Was wir feststellen ist: Wenn man klare Leitplanken hat, dann gibt es auch ein Korrektiv durch die Masse der Menschen. Wenn die meisten Leute mitziehen, isoliert man diejenigen, die in eine andere Richtung wirken. Interessanterweise reichen in Sachen Corporate Influencer:innen eine wirklich kleine Zahl an „Fans“, die ein komplettes Unternehmen „schütteln“ können und andere „infizieren“. Also: Fokus auf die „Fans“.

Kommen denn alle Beschäftigten mit dieser neuen Führungswelt klar?

Bartelt: Man kann Hierarchien und eingefahrene Abläufe natürlich nicht per Dekret auflösen. Es will oder kann ja auch nicht jede und jeder eigenverantwortlich und in flachen Hierarchien arbeiten. Das ist auch eine Frage von Diversität. Also nicht nur jung und alt, Männer und Frauen, sondern auch Führungsdiversität, also eine Führungskraft, die auf verschiedene Beschäftigte individuell eingehen kann. Das ist natürlich herausfordernd, aber in der heutigen Arbeitswelt absolut nötig und eine der Haupt-Skills von guten Führungskräften

Wie ist das mit dem Frauenanteil bei Ihnen?

Bartelt: Molkereien sind traditionell eher noch männerdominiert. Das versuchen wir natürlich zu ändern, wir haben einige spannende Geschichten. So gibt es etwa für unsere 400 Milchsammelwagen eine eigene Fahrschule und da haben wir auch junge Mädchen in der Ausbildung. Und das hat Strahlkraft, wenn da eine 19-Jährige mit dem Truck vorfährt und sagt: „Das ist das Tollste, was ich mir vorstellen kann“.

 

"Kulturwandel ist eine Bewegung – kein Zielzustand."

Oliver Bartelt, DMK Group

Und wie sieht es in den Führungspositionen aus?

Bartelt: Unsere C-Ebene sind überwiegend Männer, aber das Seniormanagement von 80-90 Leuten geht weiter auf einen ausgewogenen Anteil von Frauen und Männern zu. Wir haben zum Beispiel inzwischen mehrere Werkleiterinnen in unseren einzelnen Molkereien. Diverse Teams funktionieren einfach besser.

Wie lange haben Sie dafür gebraucht, dieses neue Verständnis von Unternehmenskultur, Werten und Führung zu etablieren?

Bartelt: Man kann das nicht in sechs Monaten machen. Wir haben uns 2018 das Jahr 2030 als imaginäre Haltestelle vorgenommen. Und uns damals gefragt: Wie sieht die Welt 2030 aus, wie spielen wir da noch mit? Dann haben wir zurückgerechnet: Was müssen wir jetzt machen, damit das bis dahin klappt? Jeder Bereich hat sich quasi einen Zehnjahresplan gemacht. Und die Veränderungen haben sich dann auch schnell eingestellt, die ersten veganen Produkte haben wir 2022 herausgebracht, das hätte sich fünf Jahre zuvor vermutlich niemand vorstellen können.

Die DMK ist ein großer Konzern, können das kleine Betriebe überhaupt so stemmen?

Bartelt: Ja und Nein. Kleinen Unternehmen fehlt es häufig an diesen speziellen Skills – aber dafür könnte es leichter in der Umsetzung sein, weil man sich schneller mit den einzelnen Leuten beschäftigen kann. Für beides gilt: Man braucht einen guten Plan – man kann nicht irgendwo starten und „mal so machen“. Ich würde empfehlen, bei der Kultur anzufangen, also wie bei uns die Stärken definieren. Und sich gleichzeitig bewusst werden, dass man aus der Veränderung nicht mehr herauskommt. Kulturwandel ist eine Bewegung – kein Zielzustand.

Vielen Dank für das Interview!

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