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Leichte Sprache / Deutsche Gebärdensprache

„Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist kein Mütter-Thema, sondern ein Elternthema“

Eine Frau in einem Sakko und mit längeren braunen Haaren erklärt einem Mann etwas.

Mit mehr als 12.000 Angestellten, davon rund 185 in Bremen, gehört Hellmann Worldwide Logistics zu den Schwergewichten im weltweiten Logistikgeschäft. Um neue Fach- und Führungskräfte sowie Auszubildende zu gewinnen, setzt der Konzern auf moderne Organisationsstrukturen und die Bedürfnisse des Einzelnen.

Das kann Sina Hertwig aus zwei Perspektiven bestätigen. Denn als Change and Project Managerin Airfreight Germany organisiert sie zum einen Veränderungsprozesse im Konzern im Bereich Luftfracht, zum anderen nutzt die 30-Jährige als Elternteil die flexiblen Arbeitszeitmodelle und familienfreundlichen Strukturen.

Im Gespräch mit dem Bremer Staatsrat für Arbeit Kai Stührenberg sowie dem Ausbildungsleiter Felix Mayer, Ausbildungsbeauftragter der Region Nord bei Hellmann, spricht sie darüber, wie wichtig es für Unternehmen heute ist, Strukturen zu etablieren, die alle Angestellten in ihrem Lebensumfeld abholen.

Kai Stührenberg: Als Change-Managerin gestalten Sie den Wandel des Unternehmens mit. Dazu gehören auch neue Ansprüche seitens der Angestellten wie auch Bewerbenden. Inwiefern sind Themen wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Flexibilität in den Arbeitszeitmodellen in der Logistik heute relevant?

Hertwig: Wir müssen um die Besetzung jeder Stelle kämpfen. Kein Unternehmen kann sich erlauben, Teile der Gesellschaft zu ignorieren, wie etwa Väter und Mütter. Hellman lebt als Familienunternehmen seine Unternehmenswerte vor – das ist auch alternativlos heute. Wenn Eltern aufgrund von flexiblen Angeboten es schaffen, trotzdem zur Arbeit zu gehen, steht ja mehr Arbeitskraft zur Verfügung. Das ist eine Ressource, auf die wir nicht verzichten können. Und auch die jungen Leute wollen flexibel sein. Vereinbarkeit und Flexibilität sind Wettbewerbsfaktoren für uns.

Was heißt das ganz konkret? Ermöglichen Sie Teilzeitmodelle?

Hertwig: Ja, Hellmann hat unterschiedliche Konzepte für Teilzeitmodelle und unterstützt Mitarbeiter:innen dabei, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Teilzeitmodelle sind auch in Führungspositionen möglich, entweder alleine oder im Tandem. Wir haben viele individuelle Jobmodelle, auch Halbjahresverträge, wo jemand für sechs Monate eines Jahres bei uns ist. Auch viele Männer nutzen das.

Ist Hellman da eine Ausnahme in der Logistikbranche, die ja eher als konservativ und männlich dominiert gilt oder ist das ein Zeichen eines allgemeinen Wandels?

Hertwig: Ich glaube, wir sind da schon ganz vorne dabei. Wir nehmen viel Rücksicht auf teilzeitarbeitende Angestellte. Das betrifft ja nicht nur die tägliche Arbeit. Als Beispiel Weiterbildungen: Wir machen uns Gedanken, wie wir den Beschäftigten dabei gerecht werden können, dass sie einerseits gut geschult werden, aber gleichzeitig auch ihre Teilzeitstunden einhalten. Eine alleinerziehende Mutter kann nicht einfach für eine einwöchige Schulung nach Berlin geschickt werden. Und das macht Hellmann für mich so besonders: Wir denken über diese Dinge nach und diskutieren darüber.

Wenn der Laden läuft, ist das ja alles kein Problem. Aber schwierig wird es häufig, wenn es zu Krisen kommt, oder?

Hertwig: Wenn wir wollen, dass langfristig das Unternehmen, die Kund:innen und die Mitarbeiter:innen profitieren, müssen wir  die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten. Wenn wir uns als Unternehmen trainieren, Bedürfnisse und Sensibilität wahrzunehmen und zu erkennen, dass die Menschen mir gegenüber keine Maschinen sind, werden wir besser und nachhaltiger performen können.

Das ist ein ganzheitlicher Ansatz.

Hertwig: Definitiv. Ich habe neulich mit unserem Human-Resources-Bereich gesprochen, da gibt es eine Person, die sich primär um Pflegethemen kümmert, also Pflege und Beruf zu vereinbaren. Es ist unser Mindset, dass wir auch in solche Themen investieren. Wir stehen in Konkurrenz zu vielen Unternehmen um Fachkräfte und das ist ganz klar ein Entscheidungsfaktor für Bewerbende.

Sie selbst sind ja auch in Teilzeit in eine Führungsposition eingestiegen. Ich habe in manchen Unternehmen erlebt, dass diese die Anzahl der Frauen in Führungspositionen gern erhöhen wollen, aber viele Frauen das ablehnten, weil sie sagten, dass ihnen die Strukturen der Organisation dafür nicht passen. Wie gehen Sie das an?

Hertwig: Es braucht gute Beispiele und Vorbilder, damit Führungspositionen für Frauen – gerade in Teilzeit – attraktiver werden. Es liegt an uns, wie attraktiv wir unsere Führungsrolle vorleben, wir verstehen uns da auch als Rolemodels.

Gut ist, dass auch die Führung unserer deutschen Landesorganisation da mitzieht. Drei der Geschäftsführer:innen haben kleine Kinder zuhause. Das zeigt, dass man auch im Top-Management mit Kleinkindern arbeiten kann.

Es ist also eine Top-Down-Aufgabe, eine Teilzeit-Kultur im Unternehmen durchzusetzen?

Hertwig: Ganz klar, die Führungsebene lebt es vor. Und wenn man dann im Alltag merkt, dass es klappt, dann können auch die einzelnen Ebenen darunter lernen, damit umzugehen. Das braucht natürlich Zeit.

Wie schafft man so eine Kultur?

Hertwig: Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass jede Führungskraft weiß, wie sie mit alternativen Arbeitszeitmodellen umgeht. Es gibt mit Sicherheit Momente, wo es zu Konflikten kommt. Unsere Führungskräfte werden deshalb eng geschult. Aber auch in der Auswahl der Führungskräfte muss man darauf achten, dass diese mit sozialen Veränderungen im Team umgehen können.

Wie machen Sie das persönlich? Unvorhergesehenes ist Alltag in der Kindererziehung, ob nun ausfallende Kindergartenbetreuung oder Krankheit. Wie reagiert da Ihr Team?

Hertwig: Ich kommuniziere das ganz offen. Ich spreche meine Herausforderungen aus meinem privaten Alltag an. Natürlich kann das zu Mehrbelastung führen. Themen, die normalerweise von mir bearbeitet würden, fallen dann auch mal auf das Team zurück. Dafür kann ich an anderen Tagen länger bleiben und was übernehmen. Ich bin aber überzeugt, dass niemand auf Arbeit geht, seine privaten Probleme beiseite schiebt und nach acht Stunden wieder geht und dabei genauso leistungsfähig bleibt.

Herr Mayer, Sie sind Ausbildungsleiter, macht sich dieser Anspruch auch in der Belegschaft und den Bewerbungen bemerkbar?

Felix Mayer: Wir sehen da also noch große Chancen. Der Männeranteil im gewerblichen Bereich liegt bei 80 Prozent, im kaufmännischen ungefähr bei der Hälfte. Wir haben noch keine paritätische Besetzung in Führungspositionen, arbeiten aber daran. In Bremen gibt es etwa eine Auszubildende, die Mutter ist, die unterstützen wir nach Möglichkeiten. Sie kann im Homeoffice arbeiten, wir sprechen darüber mit den Abteilungen, die sie durchläuft.

Hat sich der Umgang mit den Azubis in den vergangenen Jahren verändert?

Mayer: Die Zielgruppe wird anspruchsvoller. Die Azubis haben heute eine ganz andere Verhandlungsposition als früher, es kommen weniger Bewerbende auf mehr Stellen. Wenn man sie partizipieren lässt, sind sie auch gewillt, ihre Ausbildung in die eigene Hand zu nehmen. Wir müssen sie in den drei Jahren ans Unternehmen binden, das ist eine wichtige Aufgabe, um sie dann für die Übernahme begeistern zu können. Da fängt die Arbeit erst richtig an.

Sie haben gerade Homeoffice angesprochen. Wie sieht da die Regelung bei Ihnen aus?

Mayer: Grundsätzlich haben wir eine Betriebsvereinbarung zu Homeoffice, die 30-70 Prozent vorsieht, also 30 Prozent zu Hause, 70 Prozent im Office. Darüber hinausgehende Regelungen gibt es dann in den einzelnen Teams. Die Entscheidungen liegen dann individuell bei der Führung.

Hertwig: Homeoffice ist bei uns Normalität geworden. Ich arbeite den Großteil im Homeoffice, weiß aber auch, dass es eine Herausforderung sein kann und organisiere deshalb auch gezielt Teammeetings vor Ort. Es soll natürlich auch nichts verloren gehen im persönlichen Kontakt. Und gerade die zufälligen Begegnungen auf dem Flur sind ja auch sehr wichtig, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Als ein Elternteil in Führungsposition kommt Ihnen das sicherlich entgegen?

Hertwig: Für mich ist Homeoffice nicht zwangsläufig der Moment, wo mein Kind dabei ist. Homeoffice heißt für mich: Ich spare jeden Tag 40 Minuten Arbeitsweg. Wenn ich das nicht hätte, könnte ich meinen Alltag nicht so wie jetzt organisieren und müsste Abstriche bei der Arbeitszeit machen. Der Arbeitgeber profitiert also auch vom Homeoffice und der Flexibilität.

So kann ich mich privat mit meinem Lebenspartner im Alltag gut absprechen. Vereinbarkeit ist ja auch kein Mütter-Thema, es ist ein Elternthema. Alleine könnte ich das nicht, es braucht viel Absprache. Ich bin nicht die Managerin des Haushalts, sondern teile mir die Aufgaben mit meinem Lebenspartner.

Frau Hertwig, Herr Mayer, danke für das Gespräch!

 

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