Entgeltgleichheit meint gleiches Geld für alle Geschlechter bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Sie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Gleichberechtigung von Mann und Frau im Berufsleben. Entgeltgleichheit einzuführen, ist für viele Unternehmen eine Herausforderung. Dabei können sie Hilfe in Anspruch nehmen. Ein Praxisbeispiel von der BAB – Die Förderbank für Bremen und Bremerhaven, gut zur Landesstrategie Gendergerechtigkeit, Entgeltgleichheit und Diversität passt, die von Senatorin Kristina Vogt gerade umgesetzt wird.
Einen ersten Rahmen für die gleiche Entlohnung von Mann und Frau bildet das 2017 verabschiedete Entgelttransparenzgesetz. Darauf aufbauend schuf das Bundesfamilienministerium Angebote wie den KMU-Gleichstellungscheck. Diesen hat auch die Bremer Förderbank genutzt, um sich weiterzuentwickeln. Dabei kamen für Ralf Stapp, Vorsitzender der BAB-Geschäftsführung auch einige Überraschungen zutage, wie er im Interview mit dem Staatsrat für Arbeit und Europa, Kai Stührenberg verrät.
Herr Stapp, wie kamen Sie auf die Idee, das Thema Entgeltgleichheit auf Ihre Agenda zu setzen?
Stapp: Die BAB ist noch nicht Teil eines Tarifvertrags, sie hat zudem einen größeren Anteil Frauen als Männer unter den Beschäftigten. Deshalb wollten wir einmal schauen, wie ist die betriebliche Praxis im Bereich Entgeltgleichheit und wo können wir noch Verbesserungen ansetzen? Aufmerksam wurden wir auf das Thema durch unsere Kontakte zu Bettina Wilhelm und Andrea Quick von der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Dadurch hat sich eine Sensibilisierung für das Thema ergeben.
"Transparenz hilft gegen gefühlte Tatsachen"
Ralf Stapp, Vorsitzender der BAB-GeschäftsführungDas Thema ist also top-down entstanden?
Stapp: Ja. Die BAB hat eine männlich besetzte Geschäftsführung. Wir wollten uns da nicht rechtfertigen müssen, sondern das Thema Gleichstellung strukturiert angehen, es zum Thema machen. Denn Transparenz hilft gegen gefühlte Tatsachen. Es ist uns wichtig, dass die Mitarbeitenden merken, dass das Thema der Geschäftsführung wichtig ist und top-down gelebt wird.
Es gibt viele Verfahren, um Entgeltgleichheit herzustellen, wie eg-Check, Logib-D, KMU-Verfahren. Das ist ein recht komplexes Thema – wie haben Sie da eine Entscheidung gefällt?
Stapp: 2019 haben wir uns zunächst angeschaut, was der Flughafen Bremen gemacht hat, die bereits Vorreiter waren. Deren Verfahren hat aber für uns nicht gepasst. Wir wollten eines finden, dass uns bei allen Aspekten rund um das Thema Gleichstellung weiterbringt. Da haben wir den KMU-Gleichstellungscheck ausgewählt, der auch vom Bundesfamilienministerium für den Mittelstand empfohlen wird.
Wie sind Sie dann vorangegangen?
Stapp: Wir haben uns externe Hilfe geholt, eine Beraterin, die da drauf spezialisiert ist. Das war Gold wert.
Inwiefern?
Stapp: Als Geschäftsführung sind wir ja auch selbst Betroffene in diesem Prozess und können da schlecht eine Doppelrolle einnehmen als Moderatoren und Teilnehmer. Ein Blick von außen mit Erfahrung in solchen Themen und der Situation in anderen Betrieben sowie Wissen um die richtigen Fragestellungen als auch bei der Einstufung der Antworten war da sehr wichtig.
Wie ging dann der KMU-Check ganz praktisch vonstatten?
Stapp: Wir starteten zunächst mit zwei Workshops: Daran waren die Frauenbeauftragte, der Betriebsrat, das Change Management, die Geschäftsführung und die Unternehmensentwicklung beteiligt. Anschließend haben wir dann Gruppen gebildet für die vier einzelnen Themenfelder des Checks. Die Gruppen haben jeweils Fragen beantwortet und damit Handlungspotentiale herausgearbeitet, die dann nach dem Ampelprinzip priorisiert wurden.
Was haben Sie dabei herausgefunden?
Stapp: Eine wichtige Erkenntnis war, dass wir uns nicht nur auf das Thema Entgelt beschränken können. Durch den Check werden neben Fragen zum Arbeitsentgelt die Bereiche Personalrecruiting, Kommunikation/Zusammenarbeit und Arbeitsbedingungen abgedeckt.
Das sind alles Bereiche, die zur Unternehmenskultur beitragen und tief in die Prozesse eines Betriebs eingreifen. Das bedeutete dann sicherlich mehr Arbeit als gedacht. War Ihnen das bewusst?
Stapp: „Um ein Auto winterfest zu machen, reichen vier Reifen nicht, man muss das ganze Auto anschauen.“ Eine Gehaltserhöhung zur Angleichung der Gehälter trägt nur kurz zur Motivation bei – wenn es aber strukturelle Probleme im Betrieb gibt, etwa bei der Gleichbehandlung der Mitarbeitenden, hat man langfristig nichts gelöst. Natürlich gilt das aber auch andersrum. Wenn man nur die Kulturdimension betrachtet reicht das auch nicht, denn faire Gehälter sind natürlich sehr wichtig. Wir müssen das Unternehmen ganzheitlich betrachten.
Wenn es um die gleiche Entlohnung geht, leuchtet schnell ein, wie sich das beheben lässt. Welche Baustellen haben Sie dann in den anderen Themenfeldern wie Kommunikation/Zusammenarbeit und Arbeitsbedingungen identifiziert?
Stapp: Es geht da zum Beispiel um Teilzeitarbeit und die Frage, wie man Teilzeitkräfte gleichwertig am Unternehmensbetrieb teilhaben lassen kann – zum Beispiel, indem man wichtige Termine so legt, dass alle teilnehmen können. Oder ob Vorgesetzte dafür sorgen, dass Männer und Frauen in Meetings gleichberichtigt zu Wort kommen. Oder wie man geteilte Führungsrollen einsetzen kann – da haben wir gerade erste Modelle gestartet. Wir kamen so auf Themen, die wir am Anfang nicht mitdachten.
Und was ist jetzt bei der Gehaltsbetrachtung herausgekommen?
Stapp: An diesem Schritt stehen wir gerade. Beim Fragebereich Arbeitsentgelt geht es nicht nur um die Entgeltgleichheit sondern auch um den Prozess und die Transparenz der Entgeltsituation. Ein wichtiger Bereich ist natürlich der Umgang mit dem Anforderungsbezogenem Grundgehalt. Wir gehen jetzt in die Detailanalyse und wollen da über das Workshop-Team auch weitere Mitarbeiter*innen enger einbinden. Durch die Coronakrise waren wir als BAB sehr stark beansprucht. Daher hat sich der gesamte Prozess länger hingezogen, als wir geplant hatten. Wir bauen deshalb auch gerade eine Personalentwicklung auf. Die kann diese Themen verorten, begleiten und professionalisieren und ist Bindeglied zur Frauenbeauftragten und zum Betriebsrat.
Sie haben es gerade angesprochen: So ein Prozess bindet Ressourcen, viele Unternehmen sind aber schon stark ausgelastet. Wie kommunizieren Sie da gegenüber ihren Angestellten diese Mehrbelastung?
Stapp: Es ist wichtig, diese Themen behutsam in die Belegschaft zu bringen. Da hat man nur einen Versuch und muss es gleich richtig angehen. Es ist wichtig, dass die Beschäftigten merken, dass das Thema der Geschäftsführung wichtig ist und top-down gelebt wird. Und dass alle frühzeitig dabei sind. Dazu zähle ich auch gerade die Männer, denn: Gleichberechtigung ist auch Männersache. Letztlich trägt der ganze Prozess zur Mitarbeitendenzufriedenheit bei und sichert so unsere Zukunftsfähigkeit.
Weil Sie als Arbeitgeber attraktiver werden?
Stapp: Genau. Als Förderbank können wir nicht dieselben Konditionen bieten wie etwa Geschäftsbanken, sondern punkten mit anderen Vorzügen. Dazu gehört neben Regionalität eben auch eine innovative Unternehmenskultur, die sich von manch anderer, traditionelleren Denke unterscheidet. Daran hat zum Beispiel auch das Starthaus Bremen & Bremerhaven als Segment der BAB einen großen Anteil. Das hat eine neue Dynamik in die Bank gebracht, mehr Agilität, die sich auf das ganze Team auswirkt. Der KMU-Check ist ein weiterer Baustein.
Worauf müssen Unternehmen aus Ihrer Sicht achten, die jetzt das Thema Entgeltgleichheit oder den KMU-Check angehen wollen?
Stapp: Die Führungsriege muss diskussionsfreudig sein und offen für neue Meinungen. Im Prozess kommen viele neue Aspekte zu Sprache, über die man vielleicht lange geschwiegen oder noch nie nachgedacht hat. Die Führungskräfte müssen das auch zulassen können.
Würden Sie in Retrospektive etwas anders machen?
Stapp: Ich bin sehr zufrieden, wie wir das Thema angegangen sind. Nur hätte ich den Prozess gerne zeitlich gestrafft, da ist uns leider die Corona-Krise dazwischengekommen.
Welche Kosten kommen auf Unternehmen zu?
Stapp: Das ist sehr unterschiedlich und hängt natürlich davon ab, wie der Betrieb den Prozess gestaltet: Macht man alles Inhouse, holt man sich externes Know-how dazu für längere oder kürzere Zeit? Ich schätze, mit externer Beratung kommt ein mittelständisches Unternehmen mit wenigen hundert Angestellten auf eine mittlere bis hohe vierstellige Summe.
Dann war der Prozess für Sie insgesamt ein Gewinn auf allen Ebenen?
Stapp: Ja, auf alle Fälle. Der KMU-Check hat uns gezeigt, wie vielfältig das Thema im Unternehmen verankert ist und welches Entwicklungspotenzial wir noch haben. Die systemische Herangehensweise gibt uns die Möglichkeit, jetzt eine Handlungsstrategie zu formulieren. Wir können jetzt an konkreten Punkten ansetzen. Davon profitieren die Beschäftigten, aber auch die Bank als Ganzes langfristig. Deshalb würden wir das Verfahren jedem mittelständischen Unternehmen empfehlen.
Herr Stapp, vielen Dank für das Gespräch!
Kontakt
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Thorsten Kühn
Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa
Abteilung Arbeit
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