Zum Menü Zum Inhalt Zur Fußzeile
Leichte Sprache / Deutsche Gebärdensprache

Wie Führungskräfte dazulernen

Der Wandel der Arbeitswelt bedeutet nicht nur, dass Beschäftigte neue Skills lernen müssen, auch Führungskräfte müssen ihren Methodenkoffer erweitern. Wie das gelingt, zeigt der Bremer Logistikspezialist PTS Logistics GmbH.

Mit 120 Angestellten, davon 20 Führungskräften, zählt die PTS zu den erfolgreichen mittelständischen Logistikunternehmen in Bremen. Spezialisiert auf die seemäßige Verpackung von Spezialgütern, vor allem Maschinen- und Anlagenteile, und Dienstleistungen im Bereich Inhouse Logistik an zehn Standorten, vollzog sich 2023 ein Generationswechsel im Unternehmen. Seitdem führt die zweite Generation des Familienbetriebs mit Vanessa Peters und Patrick Rehberg den Betrieb.

Mit dem Wechsel startete das Unternehmen auch in einen Modernisierungsprozess im Bereich Führung und Personal. Hierzu stieß die Wirtschaftspsychologin und Personalexpertin Miriam Charif ins Unternehmen. Im Gespräch mit dem Bremer Staatsrat für Häfen Kai Stührenberg erklärt Charif, wie ein Mentalitätswandel in der Logistikbranche gelingen kann.

Kai Stührenberg: Die Logistik ist ja vielen eher als eine traditionsorientierte Branche bekannt. Was war der ausschlaggebende Punkt, der Veränderung bei der PTS Logistics angestoßen hat?

Miriam Charif: Es war unser Geschäftsführer Patrick Rehberg, der erkannte, dass sich die Führungskultur wandeln musste, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Die klassische Führung mit wenig Kommunikation und ohne echte Mitgestaltung durch die Angestellten hatte einfach nicht mehr die gewünschte Wirkung. Er wollte seine Führungskräfte darin unterstützen, so mit den Beschäftigten zu arbeiten, dass diese sich dem Unternehmen zugehörig fühlen, sich entwickeln und das Unternehmen als Arbeitgeber schätzen. Dies setzt natürlich ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein bei den Führungskräften voraus und eine nötige Sensibilisierung für die Wichtigkeit ihrer Rolle.

Früher war Kommunikation meist einseitig und hierarchisch, von oben nach unten, was wenig Raum für Dialog ließ. Heute wird eine offene Kommunikation zwischen den Ebenen immer wichtiger und die einseitige Kommunikation wird zunehmend weniger akzeptiert.

Das klingt nach einer grundlegenden Neuausrichtung. Wie wichtig ist es, dass dieser Anstoß von „ganz oben“ kam?

Wenn die Geschäftsführung nicht hinter dem Veränderungsprozess steht und diesen nicht aktiv mitträgt, wird es sehr schwer. Ausgehend vom Anstoß aus der Führungsetage haben wir uns dann zunächst gefragt, wie wir die Führungskräfte ansprechen können, damit sie nicht nur die notwendige Veränderung erkennen, sondern diese auch aktiv mitgestalten.

Welche Methodik haben Sie dabei verfolgt, um diesen Wandel zu gestalten?

Ich bevorzuge den systemischen Ansatz. Man darf Veränderungen nicht isoliert betrachten, sondern muss immer das gesamte System – in diesem Fall das Unternehmen – im Blick haben. Wenn man in einem Betrieb Veränderungen anstoßen möchte, muss man verstehen, wie die einzelnen Teile miteinander interagieren. Deswegen haben wir uns entschieden, den Wandel systemisch anzugehen über alle Ebenen.

Wir haben ein achtmoduliges Seminar entwickelt, das über einen mehrjährigen Zeitraum für alle Mitarbeitenden auf Führungsebene läuft. Bisher haben wir zwei Module abgeschlossen und gehen das Schritt für Schritt an, um Theorie und Praxis zu verbinden. Ziel ist es, dass alle Führungskräfte in den nächsten zwei bis drei Jahren alle Module durchlaufen.

Welche konkreten Inhalte werden in den ersten Modulen behandelt, um den systemischen Ansatz zu vermitteln?

Wir erklären den Führungskräften, was ‚systemisches Denken‘ bedeutet und welche Vorteile es für das Unternehmen hat. Ein wichtiger Punkt ist, dass Veränderungen in einem Bereich das gesamte System beeinflussen können – ähnlich wie bei einem Mobile: Wird ein Teil angestoßen, bewegt sich das ganze Mobile. Im Gegensatz zu mechanistischen Modellen, bei denen jedes Teil isoliert funktioniert, müssen wir im systemischen Ansatz immer das große Ganze im Blick haben.

Wie gehen Sie konkret vor, wenn eine Führungskraft in ihrer Abteilung eine Veränderung umsetzen möchte? Was passiert nach der Initiierung einer Maßnahme?

Wenn wir eine Maßnahme anstoßen, schauen wir uns genau an, wie sie sich auf die Abteilung, das Team und dann auf das ganze Unternehmen auswirkt. Dann gehen wir in eine Art Rückkopplung, um zu prüfen, ob das, was wir wollten, auch wirklich funktioniert hat. Gibt es unerwartete Nebenwirkungen oder Probleme, die wir noch lösen müssen? So stellen wir sicher, dass jede Veränderung wirklich langfristig funktioniert und gut ins ganze Unternehmen passt.

Das klingt nach einem sehr iterativen Prozess, fast wie bei Design Thinking, bei dem ständig analysiert und angepasst wird. Ist es also richtig, dass Sie kontinuierlich prüfen, was passiert und dann bei Bedarf nachjustieren?

Ja, genau, im systemischen spricht man auch von iterativer Schleife / iterativem Prozess.  Wenn eine Maßnahme angestoßen wird, beobachten wir, was passiert, und wenn es gut läuft, bleiben wir auf dem Kurs. Läuft es weniger gut oder gibt es Probleme, drehen wir noch einmal eine Runde und korrigieren, was nötig ist.

Wie wichtig ist es, dass die Führungskräfte selbst an diesem Prozess teilnehmen und sich mit ihren eigenen Rollen beschäftigen?

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Die Führungskräfte müssen verstehen, wie sie selbst Teil des Systems sind und wie ihr Verhalten das Ganze beeinflusst und welche Verantwortung sie dort in der Rolle als Führungskraft tragen. Selbstreflexion ist also ein wesentlicher Bestandteil dieses Ansatzes. Eine Führungskraft muss sich fragen: „Wie wirke ich auf das System? Was passiert, wenn ich so oder so handle?“

Sie haben also auch einen Selbstreflexionsprozess integriert. Wie reagieren die Teilnehmenden darauf?

Das ist nicht einfach, deshalb haben wir den Prozess langsam angestoßen. Zu Beginn haben wir Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung erklärt, um ein erstes Bewusstsein zu schaffen. Im dritten Teil des Programms geht es dann richtig in die tiefe Selbstreflexion, wo jeder individuell auf sich selbst schaut. Das braucht Zeit und eine gewisse Bereitschaft, sich auf diesen Prozess einzulassen.

Arbeiten Sie mit einer bestimmten Systematik, um Persönlichkeitstypen der Mitarbeitenden zu bestimmen?

Ja, wir verwenden einfache Schemata, z.B. eines, welches die Mitarbeitende in vier Kategorien einteilen, eine Motivations- und Kompetenzmatrix, ein bekanntes Tool in der Mitarbeiterführung. Ein anderes Tool orientiert an dem Insights Discovery Modell eine Erweiterung der Grundidee des bekannten DISG-Modell. Dieses besteht aus vier Typen, welche besonders bei der Selbstreflexion helfen. Wenn ich für mich weiß, was für ein Typ ich bin, verstehe ich besser, mit welchen anderen Typen ich gut zurechtkomme und bei welchen es zu Herausforderungen im Umgang kommen kann.

Was für Übungen machen Sie dann in den Seminaren? Können Sie Beispiele nennen?

Eine Übung war, dass die Teilnehmenden ein fiktives neues System für die PTS entwickeln sollten. Sie sollten diesen Schritt aus der Perspektive der Geschäftsführung, der Führungskräfte und der Mitarbeitenden bewerten und ihre Anforderungen daran auf Flipcharts sammeln. Dabei merkten sie schnell, wie schwierig es ist, alle Interessen zusammenzubringen. Eine weitere Übung bestand darin, dass die Führungskräfte ihre eigenen Teams anhand der Modelle reflektierten und sich gegenseitig erzählten, was in der Zusammenarbeit gut oder schwierig läuft. So kommen sie ins Gespräch und können Lösungen entwickeln, was im Alltag oft zu kurz kommt.

Gab es bisher Widerstände?

Widerstände gibt es immer, das gehört zu jedem Veränderungsprozess dazu. Am Anfang war die Skepsis groß. Doch die Rückmeldungen, sowohl direkt an mich als auch an die Geschäftsführung, waren von Beginn an überraschend positiv. Viele waren begeistert und haben bemerkt, dass sich im Unternehmen wirklich etwas verändert. Die Kommunikation ist direkter, der Fokus liegt auf Lösungen statt auf Problemen, und auf vielen Ebenen spürt man eine Veränderung. Nichtsdestotrotz ist der Umgang mit Widerständen bei Veränderungsprozessen ein entscheidender Faktor, da Widerstände Ausdruck von Unsicherheiten und Ängsten oder fehlendem Vertrauen in die Veränderung sein können. Im Change Management spricht man hier von der Change Kurve.

Wie lange dauert es, einen Mindset-Wechsel in einem Unternehmen zu erzeugen, wenn man grundlegende Veränderungen anstrebt?

Es ist schwer, dies genau zu sagen, aber ich würde schätzen, dass es mindestens ein Jahr bis anderthalb dauert, bis die Mitarbeitenden wirklich merken, dass die angestrebten Veränderungen ernst gemeint sind und sich etwas verändert. In meinen Seminaren sage ich immer: „Verabschiedet euch von der Idee, dass wir in einem halben Jahr alles erledigt haben.“ Es ist ein langfristiger Prozess, ein Marathon und kein Sprint. Das Commitment aller Beteiligten, insbesondere der Geschäftsführung, ist entscheidend, um diesen Wandel zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist das Seminar, das wir im November 2024 mit über 20 Mitarbeitenden hatten, bei dem wir uns über eine partizipative Führungskultur und das Leitbild von PTS ausgetauscht haben. Wir geben bei solchen Seminaren keinerlei Vorgaben zum Thema Leitbild oder Kultur, sondern wollen, dass es authentisch und von den Mitarbeitenden selbst getragen wird. Nur so entsteht eine echte Veränderung. Die Ergebnisse von dem Workshop sind sehr schön und ein Feedback, dass die angestoßene Veränderung bereits ihre ersten Früchte trägt. Die Ergebnisse des Workshops dienen uns als Basis für die weitere Arbeit in 2025 zum Thema Führungskultur und Leitbild.

In einem Logistikbetrieb im Hafenumfeld arbeiten viele Angestellte oft für sich, etwa Staplerfahrer:innen oder Kommissionierer:innen. Wie schaffen Sie es, die Teamkultur in Bereichen zu fördern, in denen der direkte Kontakt unter den Mitarbeitenden eher begrenzt ist?

Es ist eine Herausforderung, aber machbar, wenn man es bewusst anstößt. Wir organisieren zum Beispiel Grillabende, Frühstücke, manchmal stoßen wir die Events an, manchmal übernehmen die Mitarbeitenden das selbst. Es ist wichtig, Raum zu geben, sich untereinander auszutauschen, auch ohne, dass immer eine Führungskraft dabei ist. So schaffen wir ein Umfeld, in dem die Angestellten sich auch ohne offiziellen Rahmen verbinden können.

Welche Rolle spielt die Führungskraft in Bezug auf die Mitarbeitendenbindung, und was ist aus Ihrer Sicht entscheidend, um Beschäftigte langfristig im Unternehmen zu halten?

Das Wichtigste ist, dass am Ende des Tages nicht das Unternehmen, sondern die Person der Führungskraft für die Angestellten entscheidend ist. Auch wenn wir bei uns im Unternehmen viele langjährige Beschäftigte haben, worauf wir sehr stolz sind, gibt es immer eine gewisse Fluktuation, besonders bei Staplerfahrer:innen und Kommissionierer:innen. Mitarbeitendenbenefits sind wichtig, aber der Unterschied liegt in der Führung und der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person

Miriam Charif ist Psychologin mit dem Schwerpunkt Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie und zertifizierte systemische Coachin. Nach zwölf Jahren bei der Bundeswehr, davon einige Jahre in Führungspositionen, und Stationen im Gesundheitswesen übernimmt sie heute den Personalbereich und die Personalentwicklung bei der PTS Logistics GmbH. Dazu kommen Aufgaben in der Geschäftserweiterung und Arbeit an Projekten mit der Geschäftsführung.

 

Ältere Artikel:

3. Januar 2025

Was ist Generative AI?

ChatGPT ist so gut wie allen ein Begriff. Aber wie funktioniert die Technologie, die generative Künstliche Intelligenz, dahinter? Und wie können Unternehmen sie nutzen?
16. August 2024

Förderfonds – Aktueller Förderaufruf zum Thema Energietransformation

Die Metropolregion Nordwest fokussiert sich seit 2023 auf das Thema „Energietransformation“, um Kräfte zu bündeln, Synergien zu nutzen und vereint mehr zu erreichen. Gemeinsam mit den […]
24. Juli 2024

Die Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation Habeck übergibt Förderbescheid für Bremer Wasserstoff-Projekte

65 Millionen Euro für den Aufbau nachhaltiger Wasserstoffinfrastruktur