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Gemeinsam sicherer feiern: Warum wir Awareness beim Kneipenbummel brauchen

Clubs, Konzerte, Kneipen und Bars bringen Menschen zusammen. Um diese Begegnungsräume zu schützen und mit eventueller Diskriminierung, Sexismus, Gewalt und Übergriffen umzugehen, etablieren viele Institutionen Awareness-Strukturen.

Der Awareness-Begriff meint einen wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander – auf die Bedürfnisse aller acht zu geben. Hinter dem Begriff verstecken sich Konzepte und Strategien, um Betroffene von Diskriminierung, Übergriffen oder anderen Awareness-Situationen adäquat betreuen zu können. Bremen ist Vorreiterin darin, dieses Konzept auf Freizeit- und Kulturangebote anzuwenden, wie Iris Hinze, Co-Leiterin beim Clubverstärker e. V., und Kai Villbrandt, Geschäftsführer der L'Unità Security im Interview mit Staatsrat bei der Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation, Kai Stührenberg, erläutern.

Seit 2019 ist Kai Villbrandt selbstständig und hat sein Sicherheits-Unternehmen unter anderem auf Awareness spezialisiert – und ist damit das erste in Deutschland. Er arbeitet eng mit Hinze vom Bremer Club-Verband Clubverstärker zusammen, der das Thema Awareness schon seit 2017 am Herzen liegt.

Kai Stührenberg: Herr Villbrandt, was versteckt sich hinter dem Begriff Awareness in Ihrem Kontext?

Villbrandt: In unserem Kontext umfasst Awareness Dienstleistungen, bei denen die Betreuung der Betroffenen im Vordergrund steht. Das bedeutet, wir kümmern uns um Betroffene in verschiedenen Situationen, sei es bei Übergriffen jeglicher Art, bei Überkonsum oder ganz allgemein, wenn Personen sich beim Feiern unwohl fühlen.

Ist für so etwas nicht die Polizei, der Rettungsdienst oder das Sicherheitspersonal da?

Villbrandt: Ich habe selbst Situationen erlebt, in denen eine betroffene Person durch eine andere Person belästigt wurde, wollte aus verschiedenen Gründen jedoch nicht, dass diese des Ortes verwiesen wird. Manchmal auch aus Angst, dass Täter:innen draußen auf sie warten. Das schreckt Betroffene oft davon ab, sich zu melden. In solchen Übergangssituationen ist es entscheidend, dass wir zunächst zuhören, den Betroffenen glauben und uns dann darum kümmern, dass deren Bedürfnisse bestmöglich berücksichtigt werden.

Ist das ein wachsendes Problem bei Freizeitangeboten?

Hinze: Diskriminierende Strukturen wie Sexismus, Rassismus, Homo- oder Transphobie finden nicht nur im Nachtleben statt sondern sind ein gesamtgesellschaftliches Problem. Aber besonders im Nachtleben und in Umgebungen, in denen es eng, anonym oder dunkel ist, sollten wir besonders aufmerksam sein. Dann ist es nicht nur wichtig, Täter:innen in den Fokus zu nehmen, sondern auch sicherzustellen, dass die betroffenen Personen unterstützt werden und nicht alleine dastehen. Das Bewusstsein dafür steigt.

Sie kümmern sich also auch um die Bedürfnisse der Betroffenen. Wie kam es zu dieser Entwicklung von Awareness-Konzepten in der Bremer Kulturszene?

Hinze: Das Thema Awareness hat in Bremen bereits 2017 an Bedeutung gewonnen, insbesondere im Kultursektor. Mit dem Clubverstärker haben wir 2018 dann die Kampagne Gemeinsam.Sicherer.Feiern. www.awareness-bremen.de gestartet. Es fand dann die erste Awareness-Schulung für Club- und Barpersonal statt, zudem haben wir in Clubs auf die Awareness-Arbeit aufmerksam gemacht. Seitdem wurde das Konzept kontinuierlich weiterentwickelt.

Villbrandt: 2021 haben wir angefangen im Bremer Ortsteil Viertel mit unseren eigens ausgebildeten Awareness-Teams aktiv zu sein, waren seitdem auch auf der Breminale und auf dem Freimarkt unterwegs. Man erkennt unsere Zweier-Teams immer an den lila Westen, wir verteilen Visitenkarten, sind telefonisch erreichbar und kündigen online an, wo wir sind.

Ist es das normale Sicherheitspersonal oder der Sanitätsdienst, der diese Aufgaben übernimmt?

Villbrandt: Sanitäter:innen sind in der Regel nicht so umfassend auf psychologischer Ebene geschult. Sicherheitsdienstleistungen konzentrieren sich darauf, Störfaktoren zu kontrollieren.

Haben Sie deshalb entschieden, selbst Personal in diesem Bereich auszubilden?

Villbrandt: Ja, im Jahr 2019 haben wir erkannt, dass es einen Bedarf für diese Art von Dienstleistung gibt, und reagiert, indem wir als eines der ersten Unternehmen in Deutschland diesen Service angeboten haben. Wir stellen sowohl Personal für den Sicherheitsbereich als auch für den Awareness-Bereich ein. Unsere Mitarbeiter:innen haben die Möglichkeit, in beiden zu arbeiten, um verschiedene Perspektiven kennenzulernen.

Es ist wichtig, dass unser Team diverse Erfahrungen mit Diskriminierung hat, sei es aufgrund von Migrationshintergrund, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass diese persönlichen Erfahrungen nicht zu voreingenommenem Handeln führen. Bei der Arbeit achten wir darauf, dass unsere Mitarbeiter:innen angemessen reagieren können.

Awareness als Dienstleistung ist ja ein zusätzliches Angebot. Können sich das die Clubs und Kneipen leisten?

Hinze: Nicht jeder Club kann es sich leisten, externe Teams zu engagieren, insbesondere angesichts der bereits bestehenden finanziellen Herausforderungen durch Preissteigerungen im Musikveranstaltungsbereich. Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass alle in diesem Bereich zusätzliche Ausgaben tätigen können.

Es muss daher auch die Möglichkeit geben, diese Ziele aus den vorhandenen Ressourcen heraus zu erreichen, sei es durch interne Weiterbildung oder andere Maßnahmen. Beispielsweise könnte die Abendleitung zusätzlich Ansprechperson für die Awareness sein oder spezielle Teams innerhalb der Clubs könnten geschaffen werden, um diese Bedürfnisse zu erfüllen. Dafür bieten wir gemeinsam mit L’Unità regelmäßige Awareness-Workshops beim Clubverstärker an.

Auf der Website der Kampagne „Gemeinsam.Sicherer.Feiern“ awareness-bremen.de haben wir außerdem Awareness-Checklisten für Besucher:innen und Veranstalter:innen sowie für Awareness-Teams zusammengestellt.

Wie wird Ihr Angebot überhaupt angenommen?

Hinze: Die aktuelle Generation, die in diese Veranstaltungsszene hineinwächst, macht Erfahrungen mit Awareness und fordert entsprechende Maßnahmen auch ein. Und die Clubs erkennen die Problematik, sie merken, dass Dienstleistungen dieser Art durchaus auch von den Besuchenden angefragt werden.

Villbrandt: Die Nachfrage nach Schulungen ist enorm gestiegen. Wir bieten gemeinsame Schulungen und Workshops an, die Themen wie sexualisierte Gewalt, rechtliche Aspekte und Überkonsum behandeln. Die Veranstalter:innen erkennen die Notwendigkeit und ermöglichen ihren Mitarbeiter:innen die Teilnahme an unseren Schulungen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Villbrandt: Awareness ist ein sensibles Thema, und eine angemessene Ausbildung des Personals ist von entscheidender Bedeutung. Wir brauchen deshalb Standards und Zertifizierungen für Awareness, weil sonst die Qualität nicht sichergestellt werden kann. Und das wäre fatal: Vertrauen spielt eine entscheidende Rolle, da es wichtig ist, dass die Gäste das Gefühl haben, dass ihr Wohlbefinden und ihre Sicherheit ernst genommen werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

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