Von Leonie Wilkens & Dr. Martina Hilger
„Greenwashing“ (Grünfärberei) beschreibt grundsätzlich nebulöse, nicht überprüfbare und oft nichtzutreffende Angaben zur Umweltfreundlichkeit eines Produktes oder einer Dienstleistung (sogenannte green claims), mit dem Ziel das Verhalten (meist das Kaufverhalten) positiv zu beeinflussen.
Mit freiwilligen Aussagen wie „klimaneutral“ „CO2 kompensiert“, „Verpackung vollständig abbaubar“, „Emissionen bei der Herstellung dieses Produktes seit 2020 halbiert“, „30 % der Verpackung sind aus recyceltem Kunststoff“, „bienenfreundlicher Saft“, „ozeanfreundlicher Sonnenschutz“ etc. versuchen Unternehmen seit Jahren, ihren Produkten ein positives Image zu verschaffen. Eine Studie der EU Kommission aus dem Jahr 2020 hat belegt, dass 53 % der Umweltaussagen zu Produkten und Dienstleistungen vage oder irreführend sind oder nicht fundierte Informationen enthalten. 40 % der geprüften Aussagen könnten gar nicht belegt werden.
Gleichzeitig ist 94 % der europäischen Verbraucher:innen der Umweltschutz wichtig und 69 % ist bewusst, dass ihr Konsumverhalten sich negativ auf die Umwelt auswirken kann. Damit ist klar, Verbraucher:innen wollen und brauchen zuverlässige Angaben zur Umweltverträglichkeit, um solide Kaufentscheidungen fällen zu können.
Um Verbraucher:innen vor „Greenwashing“ zu schützen, hat die Europäische Kommission am 22.03.2023 eine „Green Claims“ Richtlinie vorgelegt. Damit sollen harmonisierte und klare Vorschriften zu Umweltangaben implementiert werden, um Verbraucher:innen künftig die Möglichkeit zu geben, sichere Kaufentscheidungen zu treffen. Zudem werden faire Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf die Umweltverträglichkeit von Produkten geschaffen.
Angaben wie „umweltfreundlich“, „biologisch abbaubar“ oder „klimaneutral“ auf Produkten dürfen dann nur noch verwandt werden, wenn sie unabhängig geprüft und anhand wissenschaftlicher Untersuchungen belegt worden sind.
Ausgenommen sind dabei Umweltaussagen, die unter bereits bestehende EU-Vorschriften fallen, wie z. B. das EU-Umweltzeichen oder das EU-Bio-Logo sowie Umweltaussagen, die von künftigen EU-Regulierungsvorschriften umfasst sind, da dort die Aussagekraft bereits gewährleistet werden kann.
Der Vorschlag sieht auch eine Regelung der omnipräsenten Umweltzeichen vor. Auf dem EU-Markt gibt es derzeit 230 verschiedene Umweltzeichen und 100 grüne Energielabels; die Hälfte davon ist schwach oder gar nicht verifiziert. Um Verbraucher:innen auch hier den Produktvergleich und die Produktauswahl zu erleichtern und gleichzeitig die Anzahl an möglichen Labels zu reduzieren, sollen künftig nur noch Nachhaltigkeitssiegel zugelassen werden, die auf offiziellen Zertifizierungssystemen beruhen oder von Behörden festgelegt werden.
Mit der Richtlinien-Umsetzung werden viele Bereiche des „Greenwashings“ – dank der EU – verschwinden und Verbraucherrechte gestärkt werden.
Die vorgelegte „Green Claims“-Richtlinie leistet einen Beitrag zur Schaffung einer kreislauforientierten und grünen EU-Wirtschaft im Rahmen des Green Deals, welcher als Teil der Klimapolitik der Europäischen Union darauf abzielt, bis 2050 die Netto-Emissionen von Treibhausgasen in der EU auf null zu reduzieren und so klimaneutral zu machen.
Im nächsten Schritt muss die Richtlinie nun vom Rat und vom Parlament gebilligt werden.
Die Europäische Kommission sieht sich derzeit allerdings auch selbst dem Vorwurf eines „Greenwashings“ ausgesetzt.
2022 hatte die Europäische Union in einem kontroversen Entscheidungsprozess Gaskraftwerken bzw. fossilem Gas und Atomkraftwerken das Label „nachhaltig“ im Rahmen der EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzierungen zuerkannt. Diese Einstufung ermöglicht bestimmte Investitionen in Gas- oder Atomkraftwerke (als sogenannte „Übergangstechnologien“) aus Finanzmitteln, die für klimafreundliche Investitionen vorgesehen sind.
Da Gaskraftwerke wie auch Atomkraftwerke im Hinblick auf CO2-Emissionen bzw. Mülllagerung problematisch sind und ggf. auch längerfristig betrieben werden sollen, können sogenannte „lock-in“-Effekte eintreten, sodass sie nicht wirklich als „Übergangstechnologien“ bezeichnet werden können. Umweltorganisationen sehen daher in der Entscheidung der EU Kommission ein „Greenwashing“, das nicht mit den europäischen Klimazielen im Einklang steht. Ob die Taxonomie rechtlich gegen das Europäische Klimagesetz oder etwa die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen verstößt, wird nun von den Gerichten entschieden werden.
Nachdem die Europäische Kommission den Antrag von ClientEarth, WWF in Brüssel, Transport & Environment (T&E) und BUND auf Streichung von Erdgas und Atomkraft aus der EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzierung abgelehnt hat, wird sich nun das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg auf Basis u. a. einer Klage von Greenpeace mit dem Fall befassen. Ein Urteil bzw. eine Entscheidung werden nicht vor 2025 erwartet.
Kontakt
Leonie Wilkens & Dr. Martina Hilger
Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa
Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der EU