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„Wir haben den Anspruch, dass aus eins und eins drei wird.“

Topsharing – das Teilen einer Führungsstelle – ist für viele Unternehmen neu. Die meisten dieser Arbeitszeitmodelle finden sich bisher in der Verwaltung oder in Bürojobs. Bei Mercedes-Benz ist Topsharing bereits gelebte Tradition - rund 200 Jobsharing-Tandems gibt es dort aktuell auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Konstellationen. Im Bremer Mercedes-Benz Werk setzen Malte Meyer und Daniel Sommerfeld in der Fahrzeugproduktion auf doppelte Führungskraft.  

Malte Meyer und Daniel Sommerfeld teilen sich die Teamleitung in der Montagehalle 9, Bereich „Fahrwerk 1 und technische Zentren“. Sie tragen direkte Personalverantwortung für 15 Personen auf Meister-Ebene, die wiederum insgesamt 550 Menschen führen. Im Gespräch mit dem Bremer Staatsrat für Arbeit, Kai Stührenberg, sprechen sie über ihre Alltagserfahrungen, ihre Motivation und geben Tipps für andere Führungskräfte.

Herr Meyer, Herr Sommerfeld, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihre Führungsstelle zu teilen?

Meyer: Meine Frau hat den Anstoß gegeben. Ich habe zwei kleine Kinder. Wir haben darüber diskutiert, wie wir es schaffen, uns möglichst gleichberechtigt bei Betreuungs- und Arbeitszeiten aufzustellen. Und so entstand die Idee, Stunden zu reduzieren, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Denn diese Zeit kommt nie wieder.

Und dann sind Sie darauf gekommen, die Stelle zu teilen?

Meyer: Ja. Ich habe viele Gespräche hier im Unternehmen innerhalb der Abteilung geführt, habe ein Konzept erstellt, wie eine Stellenaufteilung funktionieren könnte: Wie kann man sich Bereiche aufteilen? Wie läuft die Zusammenarbeit ab? Dabei habe ich mich an die Rahmenvorgaben der Personalabteilung gehalten und alles eng mit unserem Chef abgestimmt, der uns da viel Freiraum gelassen hat.

Herr Sommerfeld, wie kamen Sie ins Spiel?

Sommerfeld: Ich hatte mich ohnehin auf den Schritt als Führungskraft vorbereitet und kannte den Arbeitsbereich. Und dann kam Malte auf mich zu und fragte mich. Eigentlich hat es am Anfang nicht zu dem Familienmodell gepasst, für das sich meine Frau und ich entschieden haben. Ursprünglich hatte ich gedacht, voll im Job zu arbeiten. Über die Zeit ist die Idee einer Stellenteilung dann aber auch bei mir gewachsen.

Würden Sie bis jetzt sagen: eine gute Entscheidung?

Sommerfeld: Die Möglichkeit, mehr Zeit mit meinen Kindern zu verbringen, hat mich definitiv umgetrieben bei der Entscheidung für dieses Modell. Meine Tochter fragt jetzt anfangs der Woche immer, wann ich sie zum Kindergarten bringen kann, das ist wahnsinnig schön. Malte und ich haben beide jeweils einen Tag die Woche frei.

Man muss aber auch sagen: So ein Lebensmodell ist auch eine organisatorische Herausforderung. Zuhause müssen wir uns mehr abstimmen. Aber die Bereicherung überwiegt klar, ich genieße es, meine enge Verbindung zu meinen Kindern zu vertiefen, weil ich jetzt eben mehr zu Hause bin.

Meyer: Das unterschreibe ich so. Eine Stellenaufteilung von zwei Männern im Produktionsumfeld ist bisher noch eher selten, ich denke aber, dass es sich mehr und mehr durchsetzen wird. Schön ist, wir ticken ähnlich und passen gut zueinander – quasi gesucht und gefunden.

Eine Führungsposition hat für viele etwas mit Macht zu tun. Können Sie diese gut teilen?

Sommerfeld: Wir sind beide Menschen, die Konflikte eher kooperativ lösen wollen. Wir haben ein ähnliches Verständnis von Führung. Im Produktionsumfeld müssen Entscheidungen sehr schnell getroffen werden, ohne dass viel Zeit für Abstimmungen oder Diskussionen bleibt. Für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es da natürlich sehr hilfreich, dass wir ähnlich denken.

Meyer: Nach außen wirken wir fast wie eine Person, unser Chef nennt uns humorvoll manchmal Dalte (lacht). Im Detail haben wir bei manchen Themen natürlich auch unterschiedliche Herangehensweisen – aber wir sehen beide unsere Ziele klar. Und das ist auch gut so. Wir müssen für unser Team ja auch berechenbar bleiben.

Wie sieht das im Alltag aus, bearbeitet jeder dasselbe Thema oder teilen Sie sich die Arbeit auf?

Meyer: Wir teilen sie uns auf, wir haben Fokusbereiche und jeder hat Themen, für die er sich besonders begeistern kann. So gewinnen wir mehr Zeit, unser Team individuell zu unterstützen.

Sommerfeld: An unserem freien Tag ist der andere aber jeweils verantwortlich für alle Themen – man kann also nicht sagen, dass sich einer um ein Thema komplett allein kümmert. Jeder hält den anderen immer auf dem Laufenden. Wir nehmen viele Termine zu zweit wahr und informieren uns bei den übrigen gegenseitig.

Wie kommunizieren Sie da den ganzen Tag?

Meyer: Wir testen da noch viel: Sprachnachrichten, To-Do-Listen. Wir nutzen etwa den Messenger Threema, da wir das Handy sowieso immer dabei haben.

Sommerfeld: In unserem Umfeld verlassen wir uns viel auf das gesprochene Wort, wir sind es also gewohnt, mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern primär mündlich zu kommunizieren. Aber manchmal kann es schwierig sein, alle Informationen zu sortieren bei einem reinen Audio-Format. Gerade nach dem freien Tag, wenn einen schon mehrere Sprachnachrichten am Morgen erwarten. Da wollen wir uns noch optimieren.

Was haben Ihre Kolleginnen und Kollegen zur geteilten Stelle gesagt? Gab es Skepsis?

Meyer: Wir haben sehr viel Unterstützung erhalten, viele Ältere haben gesagt: „Wenn ich das früher gewusst hätte, hätte ich das auch so gemacht“. Auch von unserem Chef kam viel Support.

Sommerfeld: Natürlich hört man da aus dem Umfeld schon mal Sprüche wie „Ihr seid ja zu zweit, da könnt ihr auch mehr machen“. Gemeinsam haben wir ja auch mehr Stunden als eine einzelne Stelle und können mehr wuppen. Tatsächlich ist unser Anspruch, dass aus eins und eins eher drei als zwei wird.

Meyer: Ich glaube, es ist wichtig, dass keine Missgunst aufkommt. Wenn man einen internen Wettbewerb zwischen den Stellenpartnern ausruft, geht das nicht.

Sie arbeiten beide 30 Stunden und kosten damit das Unternehmen mehr Geld als eine einzelne Vollzeitstelle – glauben Sie, dass Ihre erhöhte Produktivität das ausgleicht?

Sommerfeld: Wir arbeiten in der Produktion, sind verpflichtet, unsere Kennzahlen und Ziele einzuhalten. Der Takt ist kurz und 30 Stunden sind schnell mit Alltagsherausforderungen gefüllt. Trotzdem dürfen Themen der Personalführung nicht untergehen. Wir wollen Menschen bestärken und fördern. Und dafür haben wir jetzt deutlich mehr Zeit. Zu zweit können wir auch Transformationsprozesse besser durchführen.

Meyer: 60 Stunden sind ein Investment des Unternehmens, aber wir können unsere Produktivität zusammen enorm steigern. Auch durch unser internes Coaching: Wir nutzen die Zeit auch, um uns gegenseitig zu coachen. Ich beobachte Daniel, wenn er die Runden macht, höre zu. Genauso er bei mir. Dann gehen wir in den Austausch miteinander und sprechen darüber.

Wir haben zudem viel mehr Verantwortung zu Hause. Und das ist ja auch ein Aspekt von Verantwortung und Führung: Wir bringen die Erfahrungen aus unserem privaten Alltag, aus der Kindererziehung, aus Herausforderungen im familiären Alltag auch wieder ins Unternehmen ein und das stärkt hier unsere Skills. Das ist eine Win-Win-Situation.

Apropos Erziehung mit zwei Führungskräften, gibt es da ähnliche Entwicklungen wie in vielen Familien, dass der eine die Mutter oder den Vater – also hier eher Malte oder Daniel bevorzugt?

Sommerfeld: Ja, das ist nur menschlich. Die Führungsposition hier ist quasi wie eine zweite Ehe mit Malte - mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, für die wir verantwortlich sind. Wir haben beide genaue Vorstellungen darüber, wie die Prozesse und Ziele aussehen sollen und wir stimmen uns beide darüber ab, wie wir dahin kommen. Und geben das dann an das Team weiter.

Meyer: Zwischen uns darf es keine Geheimnisse geben. Wir haben eine Arbeitsbeziehung und die muss so laufen, dass jeder vom anderen weiß, was gerade anliegt, wie er reagiert und mit einzelnen Teammitgliedern umgeht. Auch wenn einer von uns beiden vielleicht mal einen schlechten Tag oder privaten Stress hat, sind wir darüber offen. So kann man an dem Tag vielleicht etwas mehr Arbeit übernehmen und den anderen entlasten.

Und die Erfahrungen können Sie auch im Unternehmen weitergeben?

Meyer: Ja, natürlich. Wir haben zum Beispiel aktuell eine Anfrage von einem anderen Duo, das sich ähnlich aufstellen möchte und mit denen wir gerne unsere Erfahrungen teilen. Da geht es manchmal um ganz einfache Fragen, zum Beispiel, wie man die E-Mail- und Kalendereinstellungen vornimmt.

Wie machen Sie das?

Meyer: Jeder sieht alles im Postfach des anderen. Wenn man das Mindset nicht hat, dass man alles teilt, dann ist dieses Modell zum Scheitern verurteilt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Jobsharing bei Mercedes-Benz

Mercedes-Benz setzt sich nach eigenen Angaben seit vielen Jahren dafür ein, dass Beschäftigte Beruf und Privatleben optimal in Einklang bringen können. So bietet das Unternehmen vielfältige Arbeitszeitmodelle, wie zum Beispiel mobiles und hybrides Arbeiten, Teilzeit, Job Sharing, Blockteilzeit, Sabbaticals oder Pflegezeit an. Für Eltern steht ein firmeneigenes Kinderbetreuungsangebot zur Verfügung.

Insgesamt arbeiten knapp 12.000 Beschäftigte von Mercedes-Benz in diversen Teilzeitmodellen, davon mehr als 4.500 Männer. Tandems gibt es auf allen Ebenen. So arbeiten rund 400 Führungskräfte in Jobsharing-Tandems (Teamleitungs- bis zur Bereichsleitungsebene).

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