Von Dr. Martina Hilger
Antimikrobielle Resistenzen (AMR) bzw. multiresistente Keime (Bakterien, Pilze und Parasiten, die nicht mehr durch den Einsatz von Antibiotika kurativ behandelt und eliminiert werden können), stellen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach der Luftverschmutzung und den Konsequenzen des Klimawandels, nichtübertragbaren Krankheiten wie Diabetes, Krebs und Herzerkrankungen sowie dem Leben in Krisengebieten das fünftgrößte Gesundheitsrisiko für die Menschheit da.
Laut der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet sterben weltweit jährlich ca. 1,3 Millionen Menschen aufgrund von arzneimittelresistenten bakteriellen Infektionen. Schon 2017 zeigten die verfügbaren Präparate bei 82 % der von arzneimittelresistenten Infektionen betroffenen Patient:innen keine Wirkung. Und es werden immer mehr Keime, die multiresistent sind. Derzeit ist davon auszugehen, dass viele Antibiotika, Virostatika und Malariamitteln in naher Zukunft nicht mehr wirksam sein werden.
Dabei ist seit langem bekannt, dass antimikrobielle Substanzen zu häufig, nicht korrekt, zu kurz, falsch dosiert und zu unspezifisch bei Menschen, Tieren, in der Tierproduktion und in der Umwelt eingesetzt werden. Zudem ist der Antibiotikamarkt für die Industrie finanziell, verglichen mit dem für Krebs- und Herz-Kreislaufmedikamenten, kein relevanter Markt, da die Gewinnmargen zu gering sind. Eine Behandlung mit Penicillin kostet, wenn man nur den Medikamentenanteil betrachtet, deutlich unter 10 Euro, so dass die Produktion sich allein in asiatischen Niedriglohnländern mit geringeren Umweltstands und prekären Arbeitsbedingungen überhaupt noch für die Industrie lohnt. Hinzu kommt das Problem, dass Antibiotika, die wirksam sind, selten eingesetzt werden sollten, damit Resistenzen vermieden werden. Ein Medikament, das aber nicht eingesetzt wird, ist wirtschaftlich uninteressant. Das Interesse der pharmazeutischen Industrie an der Entwicklung und Produktion von Antibiotika ist daher seit Jahren sehr begrenzt.
Doch was tun?
Es braucht neue Anreize und Finanzierungansätze für die Antibiotikaforschung in und außerhalb der Industrie, aber auch einen globalen Ansatz, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Neben neuen Antibiotika sind alternative Behandlungsmethoden wie die mit D-Mannose bei Blasenentzündungen, der konsequentere Einsatz von verfügbaren Impfstoffen bei Krankheiten wie Tuberkulose sowie Hygienekonzepte in Krankenhäusern, aber auch neue Impfstoffe speziell gegen resistente Keime erforderlich. An letzteren wird mittlerweile auch mit der mRNA Technik, die sich in der COVID Pandemie bewährt hat, gearbeitet. Allerdings ist die Forschung momentan noch weit davon entfernt, die ersehnten Impfstoffe bereitzustellen. Es gibt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Prioritätenliste mit zwölf resistenten Bakterien, für die Antibiotika benötigt werden. Von den 61 Impfstoffkandidaten in der Entwicklung wird aber keiner in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen.
Daher ist es wichtig, Aufmerksamkeit für das Thema Antibiotikaresistenzen in all seinen Facetten zu schaffen.
Durch den European Antibiotic Awareness Day (Europäische Tag des Antibiotika-Bewusstseins) soll dies erreicht werden. Es handelt sich dabei um eine vom ECDC (European Center for Disease Prevention and Control) koordinierte europäische Gesundheitsinitiative, die als Plattform nationale Kampagnen zum umsichtigen Einsatz von Antibiotika in der Europäischen Union unterstützt. Der Europäische Tag des Antibiotika-Bewusstseins findet seit 2008 jedes Jahr am 18. November in Partnerschaft mit der World Antimicrobial Awareness Week statt, die ebenfalls jährlich von der Weltgesundheitsorganisation vom 18. bis 24. November organisiert wird.
Auf Europäischer Ebene werden die Bemühungen im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen momentan mit der bevorstehenden Überarbeitung des EU-Arzneimittelrecht, der Umsetzung der Tierarzneimittelverordnung und der am 16. September 2021 als neue Generaldirektion der Europäischen Kommission implementieren HERA (Health Emergency Preparedness and Response Authority)) flankiert.
Im Land Bremen werden Antibiotika bei Erkältungen übrigens vergleichsweise selten verordnet. Nur Ärzte in Sachsen (8,4 %) und Thüringen (9,8 %) sind bei der Verschreibung noch zurückhaltender. Am häufigsten werden Antibiotika im Kontext von Erkältungskrankheiten im Saarland (17,9 %) verschrieben.
Weitere Literatur:
Antibiotics | Free Full-Text | Regional Variations in Outpatient Antibiotic Prescribing in Germany: A Small Area Analysis Based on Claims Data | HTML (mdpi.com)
Kontakt
Dr. Martina Hilger
Senatorin für Arbeit, Wirtschaft und Europa
Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der EU