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Das neue EU-Lieferkettengesetz – Zwei Vorschläge der Kommission für eine gerechte und nachhaltige EU-Wirtschaft

Flugzeug fliegt über Containerplatz

©pixabay

Das neue EU-Lieferkettengesetz – Zwei Vorschläge der Kommission für eine gerechte und nachhaltige EU-Wirtschaft
Von Johanna Reimers und Yvonne Kusi-Amoako
Die jüngsten Zahlen belegen, dass menschenwürdige Arbeit für viele Menschen auf der ganzen Welt nach wie vor keine Realität ist und daher zusätzliche Maßnahmen nötig sind: Beispielsweise verrichten 160 Millionen Kinder – jedes zehnte Kind weltweit – Kinderarbeit, und 25 Millionen Menschen leisten Zwangsarbeit. Die Zahl der Kinder, die Kinderarbeit verrichten, ist in den letzten Jahrzehnten zwar erheblich zurückgegangen (von 245,5 Millionen im Jahr 2000 auf 151,6 Millionen im Jahr 2016), jedoch ist zwischen 2016 und 2020 diese Zahl wieder um mehr als 8 Millionen angestiegen. Gleichzeitig können die weltweite COVID-19-Pandemie und der Wandel in der Arbeitswelt – unter anderem durch technologische Fortschritte, die Klimakrise, den demografischen Wandel und die Globalisierung – negative Auswirkungen auf die Arbeitsnormen und den Arbeitnehmerschutz haben.
Um auf eine gerechte und nachhaltige Wirtschaft innerhalb der Europäischen Union und darüber hinaus hinzuwirken, hat die Europäische Kommission am 23. Februar 2022 den bereits lange erwarteten Vorschlag zu Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen COM(2020) 71 final (das sogenannte „Europäische Lieferkettengesetz“) sowie eine Mitteilung über Menschenwürdige Arbeit weltweit für einen globalen gerechten Übergang und eine nachhaltige Entwicklung COM(2020) 66 final veröffentlicht.
Der Vorschlag zu Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen hat die Form einer neuen Richtlinie, die nachhaltiges Wirtschaften in den globalen Wertschöpfungsketten fördern soll. Negative Auswirkungen des unternehmerischen Handels in Bezug auf die Menschenrechte (wie Kinderarbeit, Ausbeutung von Arbeitnehmer:innen) und auf die Umwelt (wie Umweltverschmutzung und Verlust biologischer Vielfalt) sollen reduziert werden. Den Unternehmen werden Nachhaltigkeits- bzw. Sorgfaltspflichten auferlegt, die auf nationalstaatlicher Ebene überwacht und sanktioniert werden. Diese Pflichten müssen nicht nur im Land des Unternehmenssitzes erfüllt werden, sondern auch von den Zulieferern des Unternehmens in anderen Ländern. Geschädigte Arbeitnehmer:innen sollen bei Nichteinhaltung der Regeln die Möglichkeit haben, vor den zuständigen Gerichten eine zivilrechtliche Haftung geltend zu machen.
Die Richtlinie unterscheidet zwei Gruppen von EU-Unternehmen, für die die Sorgfaltspflichten zukünftig gelten sollen. Zur Gruppe 1 gehören alle EU-Gesellschaften von erheblicher Größe und Wirtschaftskraft, die mit mindestens 500 Beschäftigte und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. Euro weltweit haben. Zur Gruppe 2 gehören kleinere Gesellschaften, die in sogenannten „Hoch-Risiko-Branchen“ für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden tätig sind (wie z.B. Landwirtschaft, Textilien und Mineralien). Auch wenn sie die Schwellenwerte von Gruppe 1 nicht erreichen, aber mehr als 250 Beschäftigte und einen weltweiten Nettoumsatz von mind. 40 Mio. EUR erreichen, sind die Vorschriften der neuen Richtlinie auf sie anwendbar. Außerdem soll die Richtlinie auch für in der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten gelten, die einen Umsatz in Höhe von Gruppe 1 und Gruppe 2 innerhalb der EU erwirtschaften.

Die folgenden Sorgfaltspflichten sind in der Richtlinie vorgesehen:
– Tatsächliche oder potenzielle Auswirkungen auf die Umwelt oder auf die Menschenrechte müssen ermittelt werden.
– Potenzielle Auswirkungen müssen verhindert bzw. abgeschwächt werden.
– Tatsächliche Auswirkungen müssen abgestellt bzw. auf ein Minimum reduziert werden.
– Ein Beschwerdeverfahren muss eingerichtet werden.
– Die Sorgfaltspflicht muss verbindlicher Bestandteil der Unternehmensstrategie werden.
– Die Wirksamkeit der Strategien und der getroffenen Maßnahmen muss kontrolliert werden.
– Unternehmen müssen öffentlich über die Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflicht berichten.
– Unternehmen der Gruppe 1 müssen außerdem über einen Plan verfügen der sicherstellt, dass ihre Geschäftstätigkeit die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C berücksichtigt.
Im Rahmen ihres Pakets hat die Europäische Kommission außerdem eine Mitteilung über menschenwürdige Arbeit weltweit vorgelegt. Im Mittelpunkt steht dabei die Beseitigung von Kinder- und Zwangsarbeit. Die EU fördert menschenwürdige Arbeit für Arbeitnehmer:innen auf den heimischen Märkten, in Drittländern und in den globalen Lieferketten. Um das erfolgreich umzusetzen, bereitet die Kommission aktuell eine Gesetzgebungsinitiative vor, mit der das Verkaufen von Produkten, die in Zwangsarbeit von Erwachsenen oder Kindern hergestellt wurden, wirksam in der EU verboten werden soll. Dieses Instrument wird für Waren gelten, die innerhalb und außerhalb der EU hergestellt werden. Ein Entwurf der Gesetzgebungsinitiative soll im Laufe des Jahres 2022 vorgelegt werden.
Die Grundlage für diese neuen Vorschläge der Europäischen Kommission bilden die vier Elemente des Konzepts für menschenwürdige Arbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO):
1.) Förderung der Beschäftigung
2.) Normen und Rechte bei der Arbeit, einschl. der Abschaffung von Zwangs- und Kinderarbeit
3.) Sozialschutz
4.) Sozialer Dialog und Dreigliedrigkeit.
Die Gleichstellung der Geschlechter und Nichtdiskriminierung werden bei allen Zielen als übergreifende Themen berücksichtigt.
Präsidentin Ursula von der Leyen erklärte:
„Europa sendet ein starkes Signal, dass Geschäfte niemals auf Kosten der Würde und der Freiheit der Menschen gemacht werden dürfen. Wir wollen in den Regalen unserer Geschäfte in Europa keine Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden. Deshalb arbeiten wir an einem Verbot von Waren aus Zwangsarbeit.“

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