Wie muss sich die Stadt- und Verkehrsplanung wandeln, wenn eines Tages das Straßenbild von computergesteuerten Autos geprägt wird? Das untersucht seit März 2019 das EU-Projekt „ART Forum“ mit 14 Partnern aus sechs Ländern in der Nordsee-Region unter der Leitung der Stadt Bremen. Wer bei „ART“ an Kunst denkt, liegt falsch; die Buchstaben stehen für: Automated Road Transport (automatisierter Straßentransport). Und doch: Es ist durchaus eine Kunst, sich auf die Herausforderungen des autonomen Fahrens einzustellen, wie das interdisziplinäre Projekt zeigt.
Im dänischen Aalborg war die Zukunft schon da. Die Stadt erprobte von März 2020 bis November 2021 in einem Pilotprojekt auf einer gut zwei Kilometer langen Strecke die ersten fahrerlosen Elektrobusse im gemischten Verkehr in Dänemark. Das bedeutete: Neben den autonom fahrenden Bussen waren auf der Straße auch von Menschen gesteuerte Fahrzeuge, Fahrräder und Fußgänger unterwegs.
Die Minibusse fuhren in einem Aalborger Wohngebiet und mit je elf Sitzplätzen ausgestattet. Die Geschwindigkeit, die zehn anzusteuernden Bushaltestellen oder auch der Fahrplantakt wurden in die Bordcomputer einprogrammiert. Zum Abschluss schauten sich 20 Mitglieder des EU-Projekts „ART Forum“, das Teil der Initiative „Smart mobil digital“ der Freien Hansestadt Bremens ist, den Piloten vor Ort an. Die Fachleute aus Stadt- und Regionalverwaltungen, von Verkehrsunternehmen und Mobilitätsdienstleistern sowie der Forschung wollten erste Antworten darauf, wie sich der automatisierte Verkehr auf das Leben in der Stadt und in den Regionen sowie auf die künftige Verkehrs- und Stadtplanung auswirkt.
Fahrgäste fühlen sich in autonom fahrenden Bus sicher
Sie interessierte die Frage, ob die autonome Technik von der Bevölkerung überhaupt akzeptiert wurde. „Es stellte sich heraus, dass vor allem Kinder und ältere Leute den Bus nutzten. Sie fühlten sich sicher darin, und er hatte auch eine soziale Funktion übernommen. Er wurde Teil des Quartiers und förderte ein positives Image nach innen und außen“, erzählt Torben Quickert, Koordinator des EU-Projekts und Referent für automatisierte Mobilität bei der Bremer Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau.
Urbaner Bereich ist ein komplexes System
Wann ein solcher Bus regulär – auch in Bremen – im Straßenverkehr eingesetzt werden könnte, steht in den Sternen. „Wir sprechen von einer Entwicklung, deren vollständige Implementierung noch nicht absehbar ist. Dafür ist es im urbanen Bereich äußerst komplex“, sagt Quickert. Allein die Entwicklung der Technik ist schon herausfordernd: Der autonome Bus bewies sich als sehr anfällig. „Bei Starkregen, Schnee oder Nebel gab es Probleme. Und wenn ein Hindernis auf der Straße war, wie zu Beispiel eine Katze, bremste der Bus sehr abrupt ab“, berichtet Torben Quickert. Sicherheitshalber war das Fahrzeug lediglich mit bis zu 15 Kilometer pro Stunde unterwegs. Und es war immer noch ein Verantwortlicher im Bus, der in Notfällen eingreifen konnte.
Eigene Spuren für autonome Fahrzeuge?
Auch wenn es noch ein sehr langer Weg ist: Der automatisierte Straßenverkehr kann das Verkehrssystem in Zukunft einmal grundlegend verändern – und darauf wollen Städte und Gemeinden vorbereitet sein. „Autonomes Fahren auf der Autobahn ist relativ leicht umsetzbar“, sagt Torben Quickert, „aber in der Stadt muss dafür vieles verändert werden.“ Denkbar seien etwa eigene Spuren nur für autonome Fahrzeuge. Ziel des autonomen Fahrens sei es schließlich, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und eine Alternative zum (eigenen) Auto zu bieten.
Kommunen wollen wissen, wie sich die Städte verändern müssen
Aber können diese Ziele wirklich erreicht werden? Wie verändert sich der Verkehrsfluss? Wie wird der freiwerdende Parkraum genutzt? Wie können die bereits bestehenden technischen Möglichkeiten für Verkehrssicherheit und Regeleinhaltung besser genutzt werden? „Kommunen haben einen großen Bedarf, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen“, sagt Quickert. Verlässliche Antworten gibt es bisher noch nicht, doch eins ist für den Fachmann klar: Die Übergangsphase, in der sowohl von Menschen gesteuerte Autos als auch autonome Fahrzeuge im selben Verkehrsraum unterwegs sind, wird eine lange sein. „Und wir wissen nicht, wie autonom und somit defensiv fahrende Fahrzeuge sich zusammen mit testosterongesteuerten Autos vertragen.“
Abschlusskonferenz in Bremen
Auch bestehe durchaus die Gefahr, dass der Verkehr nicht weniger wird, sondern sogar zunimmt. „Es ist wenig sinnvoll, wenn jeder sein eigenes autonomes Fahrzeug vor der Tür hat. Das bringt keine Mobilitätswende. Wir brauchen ein sinnvolles Sharing-Konzept“, betont daher Quickert. Wie das aussehen könnte, dafür gibt es viele Ideen – die Busse im dänischen Aalborg waren da nur ein Anfang. Im September 2022 endet das dreijährige EU-Projekt „ART Forum“ mit einer Abschlusskonferenz in Bremen. Dann wollen die Partner Empfehlungen und Ergebnisse vorstellen, die erste Antworten auf einige der vielen offenen Fragen liefern könnten.
Autorin: Janet Binder