Die Digitalisierung verändert die Steuerberatung von Grund auf. Um mit neuen Technologien wie der künstlichen Intelligenz mitzuhalten, müssen Kanzleien sich neu erfinden. Beim Wandel unterstützt sie das Bremer Zukunftsprojekt „Smaletax“.
„You are doomed“ – du bist dem Untergang geweiht. Ein wenig martialisch verkündet die Website willrobotstakemyjob.com, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Jobs ist, in Zukunft von künstlicher Intelligenz (KI) übernommen zu werden. Für Steuerfachleute liegt sie bei 94 Prozent.
Trübe Aussichten? Ja und nein. Denn mit der Technologie wandelt sich auch das Berufsbild. Routineaufgaben übernimmt die KI, der Mensch kümmert sich um die komplexen Fälle, um individuelle Beratung.
Vor der Digitalisierung kommt das Lernen
So oder so ähnlich könnte sich zumindest Stefan Licht die Zukunft in der Steuerberatung vorstellen. Der Projektleiter im Steuerberaterverband im Lande Bremen e.V. (STBV) setzt sich seit mehr als einem Jahr intensiv mit der Zukunft der Branche auseinander – denn der Verband möchte sie entscheidend mitgestalten.
Licht leitet „Smaletax“ – kurz für Smart Learning and Taxes. Das Forschungsprojekt arbeitet an einer digitalen Lernplattform für die Zukunft der Steuerberatung. „Im Bremer Steuerberaterverband haben wir erkannt, dass wir in Zukunft auf neue Qualifikationen und Kompetenzen setzen müssen, um mit der Zeit zu gehen. Daraus ist unsere Fragestellung erstanden: Wie können wir möglichst schnell und effektiv lernen?“, so Licht.
Nachholbedarf auf allen Ebenen
Wenn Licht vom Lernen spricht, meint er nicht nur die Ausbildung. Vielmehr geht es ihm um die Digitalisierung in der Branche. „In vielen Kanzleien fehlt es an Digitalwissen. Wie kann ich Daten sicher zwischen Kunde und Kanzlei austauschen? Wie können meine Angestellten im Homeoffice arbeiten, gerade, wenn sie mit vertraulichen Daten umgehen müssen? Wie organisiere ich mich online? Wie kann ich Schnittstellen verschiedener Programme und Dienste miteinander verknüpfen?“, gibt er einige Beispiele.
Manchmal gehe es dabei um ganz grundlegende Dinge, wie etwa der fachgerechte Einsatz von Programmen wie Microsoft Office 365. „Das wird auch in der Ausbildung nicht gelehrt. Es gibt einen großen digitalen Nachholbedarf in der Branche. Und Kanzleien, die digital fit sind, haben entscheidende Vorteile in Zukunft.“
Überregional gedacht
Wie wichtig die digitale Weiterbildung für die Branche ist, zeigt sich im Projekt Smaletax des Steuerberaterverbands. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) fördert das Projekt mit 1,5 Millionen Euro über die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) . Und erwartet sich damit eine Signalwirkung. „Den ersten Prototypen werden wir in Bremen bauen, aber perspektivisch sollen Kanzleien in ganz Deutschland die Plattform nutzen“, wünscht sich Licht.
Drei Jahre lang werden Licht und sein fünfköpfiges Team am Prototypen arbeiten. Der soll vieles von dem können, was auch die spätere Lernplattform beinhaltet: Verschiedene Module zu Steuerthemen, von Ausbildungsinhalten bis hin zu Weiterbildungs- und Digitalisierungsangeboten.
Die Module können dabei mit unterschiedlichen Medien befüllt werden. Videos, Podcasts, Präsentationen, interaktive Elemente oder Tests. „Wir wollen Inhalte didaktisch optimal aufbereiten. Dazu arbeiten wir mit Expertinnen und Experten aus allen Bereichen zusammen, bis hin zu den Finanzämtern oder Lernpsychologen“, führt Licht aus.
Zwischen KI und Schulbank
Der besondere Clou der Plattform ist eine künstliche Intelligenz, die als eine Art Mentor dienen soll. „Sie stellt individuell für jede Nutzerin und jeden Nutzer die Inhalte zusammen, basierend auf dem Wissen und dem Lerntyp“, erklärt der Projektleiter. Individuell, flexibel und mobil – so sollen Steuerfachleute künftig ergänzend zum bisherigen Angebot aus Seminaren oder betrieblicher Ausbildung lernen. „Präsenzunterricht wird es immer geben. Die Plattform erweitert die Möglichkeiten um Basiswissen oder weiterführende Inhalte. Hier kann jeder in seiner eigenen Geschwindigkeit arbeiten.“
Neben der Bremer Steuer-Institut GmbH, der Weiterbildungseinrichtung des Bremer Verbands, nehmen drei Kanzleien am Förderprojekt teil. Im Februar 2021 sollen sie bereits auf erste Module zugreifen können. „Die Nutzungsdaten aus der Pilotphase nutzen wir dann um unsere KI zu trainieren. Sie steht dann zu einem späteren Zeitraum zur Verfügung“, sagt Licht abschließend.
Bis 2023 dauert „Smaletax“ und soll den Weg für die bundesweite Lernplattform bereiten. Auch wenn die Entwicklung der KI-Technologie rasant voranschreitet – genügend Steuerfachleute dürfte es bis dahin ganz sicher noch geben.
Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) ist eine vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ins Leben gerufene Initiative. Sie versteht sich als neutrale und nicht-kommerzielle Praxisplattform, die sich für die Gestaltung einer modernen Arbeitswelt mit attraktiven Arbeitsbedingungen für Arbeitgeber und Beschäftigte einsetzt und Unternehmen und Beschäftigte im Wandel der Arbeitswelt begleitet. Dabei legt sie den Fokus auf die Bereiche Führung, Gesundheit, Vielfalt und Kompetenz.
INQA bietet eine Vielfalt an Beratungs- und Informationsangeboten sowie ein breites Netzwerk für Betriebe und öffentliche Verwaltungen. Die Initiative agiert nah an den Unternehmen und hat ein Ohr für den betrieblichen Alltag. Die Angebote der Initiative richten sich an Führungskräfte und Geschäftsführer*innen, Personalverantwortliche, Betriebsräte und letztendlich an jede*n Beschäftigte*n, dem an einer positiven und gesunden Arbeitskultur gelegen ist. Denn nur durch die Bereitschaft zur Veränderung kann der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens gewährleistet werden.
INQA ist die relevante Praxisplattform für eine zukunftsfähige Arbeitskultur und neue Qualität der Arbeit in Deutschland. „INQA macht Arbeit besser!“
Weitere Informationen unter www.inqa.de
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