Dr. Martina Hilger, Europaabteilung
Lange war die Diagnostik im Bereich der Krebserkrankungen den vorhandenen Therapiemöglichkeiten überlegen. Die Krankheit Krebs konnte diagnostiziert, aber nicht geheilt werden. Dies hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. Durch Fortschritte in der Medizin wird die Heilung von Krebserkrankungen möglich und umfassende Kenntnisse zu krebsauslösenden Faktoren ermöglichen eine effektive Prävention. Nie wusste man so viel über Krebserkrankungen, ihre Entstehung und ihre Behandlung.
Dennoch erkranken jährlich ca. 3 Millionen Menschen in Europa an Krebs, mehr als eine Million (1,3 Mio. in 2020) versterben, wobei die Zahl der Neuerkrankungen seit Jahren steigt. Für das Jahr 2020 geht man für Deutschland von mehr 500.000 Krebsneuerkrankungen aus.
Ohne massives Handeln wird die Zahl der Krebsfälle bis 2035 um 25 % ansteigen und Krebs dann auf Platz 1 der Todesursachen in Europa rangieren. Dabei wären 40 % aller Krebserkrankungen vermeidbar, wenn Risikofaktoren wie Tabak, Alkohol, Chemikalien am Arbeitsplatz, falsche oder unausgewogene Ernährung (rotes Fleisch) oder Überernährung, Bewegungsmangel, Röntgenstrahlung und Infektionen als Auslöser ausgeschlossen werden könnten. Der rechtzeitige Zugang zu effektiven Therapien könnte die Todesrate weiter senken.
Die Europäische Kommission (KOM), allen voran die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, will das so nicht mehr hinnehmen. Ursula von der Leyen hatte schon zu Beginn ihrer Amtszeit das Thema Krebs priorisiert und einen europäischen Plan zur Krebsbekämpfung angekündigt, der die Mitgliedstaaten bei der Verbesserung der Krebsbekämpfung und -behandlung unterstützten soll.
Der nun mit der KOM-Mitteilung „Europas Plan gegen den Krebs“ am 3.02.2021 vorgeschlagene Maßnahmenkatalog ist ebenso umfassend wie komplex.
Es geht um die Bereiche Prävention, Früherkennung, Diagnose und Behandlung und Verbesserung der Lebensqualität.
Europas Plan gegen den Krebs soll dabei durch Maßnahmen in vielen verschiedenen Politikbereichen (Beschäftigung, Bildung, Sozial- und Gleichstellungspolitik über Marketing, Landwirtschaft, Energie, Umwelt und Klima bis hin zu Verkehr sowie Kohäsions- und Steuerpolitik) flankiert werden, um Realität zu werden.
Zur Bekämpfung der Risikofaktoren Tabakkonsum (bis 2040 soll erreicht werden, dass weniger als 5 % der EU Bürger:innen Tabak konsumieren), Senkung des schädlichen Alkoholkonsum, Vermeidung von Umweltverschmutzung und der Exposition gegenüber gefährlichen Stoffen (radioaktiv und andere), ungesunde Ernährung, Übergewicht sind legislative und nicht legislative Maßnahmen in den Blick genommen worden. Bei der Prävention soll auch die Impfung als Mittel genutzt werden. So sollen bis 2030 mindestens 90 % der Mädchen in der EU gegen Humane Papilloma Viren (HPV) geimpft und bei den Jungen eine deutliche Steigerung der Impfzahlen erreicht werden.
Im Hinblick auf eine Verbesserung der Früherkennung sollen die Mitgliedstaaten durch ein EU Krebsvorsorgeprogramm so unterstützt werden, dass sie bis 2025 für 90 % der EU Bürger:innen Vorsorgeuntersuchungen für Brustkrebs, Gebärmutterhalskrebs- bzw. Darmkrebs anbieten können.
Ungleichheiten in den Mitgliedstaaten beim Zugang zu hochwertiger Versorgung und hochwertigen Arzneimitteln sollen bis 2030 massiv reduziert werden. Ab dann sollen 90 % der Krebs-Patient:innen Zugang zu nationalen onkologischen Spitzenzentren haben, die bis dahin in den Mitgliedstaaten, sofern nicht schon vorhanden, entstehen und über ein neues EU-Netzwerk verbunden sein sollen. Darüber hinaus soll bis Ende 2021 eine neue Initiative „Krebsdiagnostik und Behandlung für alle“ eingeleitet werden, die dazu beitragen soll, den Zugang zu innovativen Krebsdiagnosen und -behandlungen zu verbessern.
Der Krebsplan adressiert auch die Lebensqualität von Kranken wie Überlebenden, wobei Rehabilitation, Rezidive sowie Maßnahmen zur Förderung der sozialen Integration und der Wiedereingliederung am Arbeitsplatz thematisiert werden sollen. Dazu soll die Initiative „Besseres Leben für Krebskranke“ ins Leben gerufen werden, deren Schwerpunkt auf der Nachsorge liegt.
Außerdem soll eine europäische Initiative zu bildgebenden Verfahren in der Krebsmedizin auf den Weg gebracht, die die Entwicklung neuer computergestützter Instrumente zur Verbesserung von personalisierter Medizin und innovativen Lösungen fördern und einen „EU-Atlas“ krebsbezogener Bilder entwickeln, der mit anonymisierten Bildern Wissenschaftler:innen und Krankenhäusern bei Forschungs- und Schulungszwecken hilfreich sein soll.
Mit der Initiative „Hilfe für Kinder mit Krebs“ soll ein Netzwerk (junger Krebsüberlebender) geschaffen werden, das der Tatsache Rechnung trägt, dass Kinder besonders verwundbar sind. Für sie ist es elementar, dass der Zugang zu einer schnellen und optimalen Früherkennung, Diagnose, Behandlung und Versorgung verbessert wird
Darüber hinaus soll ein Register der Ungleichheiten bei der Krebsbekämpfung mit dem Ziel Trends, Unterschiede und Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen zu ermitteln und abzubauen, etabliert werden.
Insgesamt sind 4 Mrd. EUR für den Kampf gegen den Krebs vorgesehen, wobei 1,25 Mrd. EUR sollen aus dem neuen EU Gesundheitsprogramm EU4Health bereitgestellt werden sollen.
Die vorgegebenen Zeitfenster für die Maßnahmen des Planes gegen Krebs sehen eine rasche Umsetzung vor. Dies ist auch nötig. Die COVID-19 Pandemie ist nicht ohne gravierende Folgen für die Krebsversorgung geblieben; Behandlungen wurden abgebrochen, Diagnosen und Behandlungen haben sich verzögert und der Zugang zu Arzneimitteln wurde behindert. Und dies alles vor dem Hintergrund der bestehenden Defizite in der Krebsversorgung in Europa. Es besteht daher akuter und vermehrter Handlungsbedarf.
Krebs als zentrale Säule der geplanten europäischen Gesundheitsunion ist geeignet, an vorhandene Erfahrungen und Strukturen im Bereich der grenzübergreifenden Zusammenarbeit anzuknüpfen und auf diese aufzubauen.
Zunächst werden sich aber die europäischen Gesundheitsminister:innen mit dem Plan gegen Krebs befassen, um noch während der portugiesischen Ratspräsidentschaft 2021/1 erste Schritte einleiten zu können.
Kontakt
Dr. Martina Hilger
Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa
Landesvertretung Brüssel
Referentin für Wissenschaft, Gesundheit, Verbraucherschutz und Kultur
T +32 2 282 00 73
martina.hilger@europa.bremen.de