Dr. Martina Hilger, Europaabteilung
Die Erfolgsgeschichte des Bauhauses beginnt 1919 in Weimar. Bis heute steht das Bauhaus nicht nur für eine Stilrichtung sondern v.a. für außerordentlich innovative, offene, experimentierfreudige Prozesse im Bereich der Architektur, der Kunst und des Designs. Es veränderte Gestaltungs- und Industrieprozesse und revolutionierte – entsprechend dem Grundsatz „Form folgt Funktionalität“ – weite Bereiche des Zusammenlebens. Was als Utopie begann, transformierte die Welt und prägte neue Denkweisen und technische Rahmenbedingungen.
In ihrer Rede zur Lage der Union hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2020 erstmals den Gedanken eines „Europäischen Bauhaus“ für das 21. Jahrhundert ins Spiel gebracht und damit das (alte) Bauhaus mit seinem innovativen und kreativen Charakter im Kontext des heutigen Europas als Arbeitsmodell neu erfunden. Um das Wirtschafts- und Umweltprojekt „Green Deal“ umzusetzen hatte sie die Errichtung eines neuen Europäischen Bauhauses vorgeschlagen, um „einen Raum, in dem Architekten, Künstler, Studenten, Ingenieure und Designer gemeinsam und kreativ an diesem Ziel arbeiten“ zu schaffen. Sie formulierte damit eine Vision, mit der die praktische Umsetzung des Europäischen Green Deals nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit, Inklusivität und Ästhetik vorangetrieben werden soll: „Diese Bewegung soll eine Brücke zwischen Wissenschaft und Technologie, Kunst und Kultur schlagen. Es handelt sich um eine neue Ästhetik, inspiriert vom Europäischen Green Deal, die Design und Nachhaltigkeit miteinander verbindet“. Dazu soll „das neue Bauhaus […] den Grünen Deal in den Köpfen und Haushalten der Menschen verankern und den Komfort und die Attraktivität einer nachhaltigen Lebensweise hervorstreichen. Es wird ein Raum für Reflexionen, Experimente und kulturelle Debatten sein.“
Die Idee des „Bauhaus“ als Bild bzw. Konzept für die Umsetzung und Greifbarmachung des Green Deals hatte schon vorher namhafte Wegbereiter gehabt.
Die Davos Erklärung „Towards a high-quality Baukultur for Europe“ der Europäischen Kulturminister:innen im Jahr des Europäischen Kulturerbes 2018 ging auf die Bedeutung der Baukultur, die für einen „starken konzeptionellen Rahmen, der grenzübergreifend für gutes Planen und Bauen steht“, ein und „macht darauf aufmerksam, dass Baukultur nur im interdisziplinären Austausch gelingen kann. Gefragt ist der Schulterschluss von Gesetzgeber, Institutionen und den verschiedenen Berufsgruppen des Planens und Bauens unter Einbezug der Zivilgesellschaft.“
Prof. Schellnhuber, ein international ausgewiesener Klimaexperte, hatte schon vor Jahren seine Idee zu einem neuen Bauhaus mit der Bekämpfung des Klimawandels im Verbindung gebracht „Es geht um Transformationen in allen Bereichen. Mein Lieblingsthema ist der Hoch- und Tiefbau. Ich fände es großartig, wenn etwa ein Institut für Holzbau gegründet würde. Denn Holz ist das ideale Material – man vermeidet nicht nur CO2-Emissionen, sondern bindet es auch noch aus der Atmosphäre. Tatsächlich trage ich mich mit der Idee, ein „Bauhaus der Erde“ zu gründen. Dabei ginge es nicht nur um die Verwendung natürlicher Materialien, sondern auch um vernünftige Stadtplanung, die Art unseres Wohnens, das Verhältnis zwischen Land und Stadt und vieles andere.“
Die Europäische Kommission hat am 18.01.2021 ihre Vision vom Europäischen Bauhaus konkretisiert. In einer Pressekonferenz stellten die Kommissarin für Innovation, Wissenschaft, Kultur, Bildung und Jugend, Marija Gabriel, und die Kommissarin für Kohäsion und Reformen, Elisa Ferreira, die ersten Schritte des Projektes vor: Die Realisierung soll in drei Phasen vonstattengehen, die teilweise parallel und „in co-creation“, also einem gemeinsamen Schaffensprozess, ablaufen werden: Mitgestaltung, Umsetzung und Verbreitung.
In der Gestaltungsphase, also ab sofort, soll zunächst das Konzept der Initiative erarbeitet werden. Hierzu sollen die Bereiche mit Handlungsbedarf identifiziert werden. Mit Beginn der Umsetzungsphase ab Herbst 2021 sollen zunächst fünf Pilotprojekte zu nachhaltigen, integrativen und gleichzeitig ästhetischen Lösungen ausgeschrieben werden. In der Verbreitungsphase geht es dann darum, die Ideen und Konzepte umfassend zu kommunizieren und umzusetzen.
Um die Idee des Europäischen Bauhauses insgesamt sichtbar zu machen, soll auch ein Preis für Europäische Bauhausprojekte ausgeschrieben werden. Mit diesem sollen im Jahr 2021 zunächst Lösungen prämiert werden, die bereits existieren und die beispielhaft für Anregungen und Veränderungen im Sinne des Green Deals stehen. Ab 2022 wird es dann thematisch eingegrenzte Ausschreibungen geben.
Ein wichtiges Tool für das Europäische Bauhaus wird die neu eingerichtete Website sein. Auf ihr sollen sich künftig Künstler:innen, Designer:innen, Ingenieur:innen, Wissenschaftler:innen, Unternehmer:innen, Architekt:innen und Studierende informieren, ihre Ideen austauschen und ihre Konzepte einreichen. Dabei soll die Website auch von interessierten Bürger: innen genutzt werden, deren Einbindung und Mitarbeit ein Schlüsselelement des Vorhabens sein wird.
Ursula von der Leyen sagte „Der Kampf gegen den Klimawandel und der Schutz der Umwelt verlangen von uns, dass wir unsere Lebensweise überdenken“. Die Veränderung unserer Lebensweisen als Antwort auf den Klimawandel wird ein umfassendes und langfristiges Projekt der Menschheit mit vielen Etappen sein. Das Europäische Bauhaus soll dazu die Grenzen zwischen Wissenschaft und Technologie, Kunst, Kultur und sozialer Inklusion überwinden und Lösungen für neue Lebenswelten erarbeiten. Die Bürger: innen sind in dem Prozess Akteure wie auch Profiteure, die Anregungen und erschwingliche wie ansprechende Angebote zu nachhaltigem Wohnen und zur Mobilität brauchen. Das Europäische Bauhaus ist ein politisches Konzept, welches über einen kreativen, interdisziplinären Prozess mit allen Akteuren ausgestaltet und zum Erfolg geführt werden soll.
Kontakt
Dr. Martina Hilger
Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa
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Referentin für Wissenschaft, Gesundheit, Verbraucherschutz und Kultur
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