Am 11. Dezember war es schließlich so weit: Nach einem ersten Vorschlag bereits im Mai 2018, einer coronakrisenbedingten Überarbeitung dieses Entwurfs zwei Jahre später, dem längsten Gipfel der EU-Geschichte im Juli 2020 und einem vorläufigen Veto zweier Mitgliedstaaten beschloss der Europäische Rat schließlich doch noch einen neuen Haushaltsrahmen für die Union ab dem 1. Januar 2021. „Mehrjähriger Finanzrahmen“ (MFR) lautet dafür der technische Begriff, hinter dem sich ein siebenjähriger Plan verbirgt, in welcher Höhe die EU Einnahmen erhält und wofür sie diese wieder ausgibt. Zwar stellt die EU natürlich auch jährliche Haushalte auf, diese sind aber an die Bestimmungen des „MFR“ gebunden. Dieser legt also die Ausgabe-Prioritäten der EU für einen langen Zeitraum fest – und deshalb ist es alle sieben Jahre wieder ein politischer Kraftakt, diesen Finanzrahmen zwischen allen EU-Mitgliedstaaten zu verhandeln, die ihm einstimmig zustimmen müssen.
Das galt auch in diesem Durchgang und doch war alles anders: Die ökonomischen und sozialen Verwerfungen durch die Corona-Pandemie sorgten dafür, dass es kein „normaler“ Finanzrahmen werden konnte. Vielmehr hat er den Anspruch, auf die Krise zu reagieren und einen Beitrag zum Wiederaufbau in Europa zu leisten. Deshalb hat die Europäische Kommission neben dem eigentlichen Finanzrahmen zusätzlich ein sogenanntes „Wiederaufbauinstrument“ mit dem Namen „Next Generation EU“ vorgeschlagen. Es umfasst 750 Mrd. Euro und ist damit noch einmal fast so groß wie der eigentliche Haushalt selbst, der gut 1000 Mrd. Euro umfasst. Ziel des Instruments ist es, die Mitgliedstaaten mit Investitionen insbesondere in Klima und Digitales beim Wiederaufbau nach der Corona-Krise zu unterstützen. Die entscheidende Neuerung: Erstmals in ihrer Geschichte nimmt die EU Kredite auf, um „Next Generation EU“ zu finanzieren. Diese werden dann bis spätestens 2058 wieder zurückgezahlt. Die Einnahmen zur Deckung des regulären Haushalts stammen bislang im Wesentlichen aus Beiträgen der Mitgliedstaaten.
Nachdem sich die Staats- und Regierungschefs der EU im Juli dieses Jahres intern auf die Ausgestaltung des neuen Haushalts einigten und im November auch eine Einigung mit dem Europäischen Parlament erzielt wurde, das dem „MFR“ zustimmen muss, sperrten sich jedoch Ungarn und Polen aufgrund der mit dem Haushalt verbundenen Rechtsstaatskonditionalität, die vorsieht, dass EU-Mittel zurückgehalten werden können, wenn rechtstaatliche Defizite in einem Mitgliedstaat die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder gefährden. Mit einer Zusatzerklärung, die die Anwendung der Konditionalität präzisiert, am eigentlichen Gesetzestext allerdings nichts ändert, konnten schlussendlich auch diese beiden Staaten zur Zustimmung bewogen werden. Was sind nun die zentralen Ergebnisse und Neuerungen des EU-Haushalts für die Jahre 2021 bis 2027 neben dem Wiederaufbauinstrument?
- Erstens gibt es eine zwar überschaubare, aber doch sichtbare Verschiebung der Ausgaben weg von den „traditionellen“ Blöcken Agrar und Kohäsion, die derzeit noch rund zwei Drittel des EU-Haushalts ausmachen (Kohäsion, also insbesondere der Europäische Sozialfonds ESF und der Europäische Regionalentwicklungsfonds EFRE, mit 30,5 Prozent, sowie der Bereich Landwirtschaft mit 31 Prozent des Gesamthaushalts). Stattdessen gibt es eine Erhöhung der Ausgaben für zukunftsträchtige Bereiche wie Forschung und Entwicklung, Erasmus oder Gesundheitsprogrammen.
- Zweitens sollen im Laufe der neuen Haushaltsperiode neue EU-Eigenmittel eingeführt werden – also eigene Einnahmequellen jenseits der Beiträge der Mitgliedstaaten. Bereits 2021 soll beispielsweise eine Abgabe auf nicht recycelten Kunststoffabfall eingeführt werden, 2023 ein CO2-Grenzausgleichssystem und eine Digitalabgabe sowie 2026 eine Finanztransaktionssteuer. Allerdings muss all dies noch das reguläre europäische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen – dass die Eigenmittel also tatsächlich so und zu diesen Zeitpunkten eingeführt werden, ist noch nicht sicher.
- Und drittens gibt es neue Querschnittsziele des Haushaltes, die etwa vorsehen, dass 30% der Mittel für klimarelevante Ausgaben reserviert sind und klimaschädliche Projekte zukünftig aus dem EU Haushalt gestrichen werden sollen. Zusätzlich wird ein fester Teil des EU-Haushalts für Investitionen in Biodiversität reserviert und ab 2021 soll zudem die Gleichstellung der Geschlechter in die Förderrichtlinien für EU-Programme eingearbeitet werden (sogenanntes „Gender Mainstreaming“).
Und was folgt aus alledem nun für Bremen? In ganz konkreten Zahlen lässt sich das ein paar Tage nach der finalen Einigung noch nicht sagen, da viele Programme jetzt im Detail ausgearbeitet werden müssen. In wichtigen Bereichen des EU-Haushaltes ist die innerdeutsche Verteilung unter den Ländern zudem nicht die Aufgabe von Brüssel, sondern wird von Bund und Ländern gemeinsam verantwortet, und diese Entscheidungen stehen derzeit noch nicht vollständig fest. So ist etwa im Bereich der Kohäsionspolitik bislang nur klar, wie viele Gelder insgesamt nach Deutschland fließen, aber noch nicht, wie diese zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. In jedem Fall aber ist sicher: Auch Bremen wird weiterhin in erheblichem Umfang von europäischen Geldern profitieren, mit denen wichtige Projekte im Land finanziert werden.
Zudem kann Bremen vermutlich mit Geldern aus dem Wiederaufbauinstrument rechnen, allerdings erarbeitet die Bundesregierung derzeit noch den entsprechenden Plan, den sie der Europäischen Kommission vorlegen muss. Auch die Mittelaufstockungen einiger der oben genannten Haushaltsbereiche könnten sich auf Bremen positiv auswirken, da das Land von einer Reihe der Programme bislang teils überproportional profitiert, etwa hinsichtlich des Forschungsprogramms Horizont Europa oder des Mobilitätsprogramms Erasmus+. Auch von Erhöhungen im Bereich des Gesundheitsprogramms EU4Health könnten Empfängerinnen und Empfänger in Bremen profitieren. Da diese Gelder jedoch größtenteils nicht dem Land Bremen zugewiesen, sondern in Ausschreibungsverfahren direkt an die Endbegünstigten vergeben werden, kann die genaue Höhe der Mittel, die nach Bremen fließen, grundsätzlich nicht vorab quantifiziert werden.
Es bleibt also spannend – spät, aber doch noch rechtzeitig gab es eine Einigung auf EU-Ebene über den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen. Nun wird es darum gehen, auf diesem Fundament weiter zu arbeiten, die Ausgestaltung der einzelnen EU-Programme zu verfolgen und Perspektiven für Bremen zu schaffen. Das Ergebnis der langen Verhandlungen auf europäischer Ebene ist dafür ein sehr guter Startpunkt.
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Jakob Ache
Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa
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