Wolf Krämer / Caroline Zambiasi, Europaabteilung
Am 29. Oktober 2020 hat das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) die fünfte Ausgabe des EU-Gleichstellungsindexes (Gender Equality Index) veröffentlicht. Mit Fokus auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männern untersucht das EIGE die Fortschritte der EU-Mitgliedstaaten und trägt dabei zur Verwirklichung einer geschlechtergerechten Gesellschaft bei.
Anhand der Bereiche Macht, Wissen, Arbeit, Zeit, Geld und Gesundheit werden EU-Mitgliedstaaten auf einer Skala von 1 bis 100 Punkten eingestuft, wobei 1 für völlige Ungleichheit und 100 für vollständige Gleichstellung steht. Im diesjährigen Index liegt der thematische Schwerpunkt bei den Auswirkungen der digitalen Transformation im Hinblick auf die Zukunft der Arbeit für Frauen und Männer. Zur Bewertung der Chancen, Risiken und Herausforderungen bezieht sich der Index auf jüngste Forschungsarbeiten, die den Einfluss der Digitalisierung auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Arbeitswelt erforschten.
Der Bereich Gewalt fließt wie schon in vorherigen Ausgaben nicht in die Berechnung des Indexes ein. Im Gegensatz zu den anderen Bereichen des Gleichstellungsindexes werden hier nicht die geschlechtsspezifischen Unterschiede dargestellt. Für 2020 wird in Ermangelung aktueller Daten kein Wert in diesem Bereich ermittelt. Allerdings weist EIGE darauf hin, dass im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ein erheblicher Anstieg geschlechtsspezifischer Gewalt zu verzeichnen ist. Geplant ist eine EU-weite Datenerhebung zu geschlechtsspezifischer Gewalt, deren Ergebnisse dem Statistischen Amt der Europäischen Union (eurostat) bis 2023 vorliegen sollen.
Der Gleichstellungsindex weist in diesem Jahr einen EU-weiten Wert von 67,9 Punkten auf. Seit der letzten Ausgabe ist dieser Wert um 0,5 Punkte gestiegen. Dies ist ein kleiner Fortschritt, dennoch wäre eine vollständig geschlechtergerechte Gesellschaft demnach erst in 60 Jahren verwirklicht.
Die Spitzenpositionen belegen seit 2013 Schweden (83,5 Punkte) und Dänemark (77,4 Punkte), dicht gefolgt von Frankreich (75,1 Punkte). Dagegen liegen Griechenland (52,2 Punkte), Ungarn (53,0 Punkte) und Rumänien (54,4 Punkte) auf den drei letzten Plätzen.
Mit 67,5 Punkten belegt Deutschland wie schon in der letzten Ausgabe 2019 den 12. Platz und liegt damit knapp hinter dem EU-Durchschnitt. Seit 2010 zählt Deutschland jedoch zu den Mitgliedstaaten, die sich EU-weit am stärksten entwickelt haben.
In der diesjährigen Ausgabe hat Deutschland im Bereich Gesundheit (DE 90,6; EU 88,0) eine der höchsten Punktzahlen aller EU-Mitgliedstaaten erreicht. Auch in den Bereichen Geld (DE 84,9; EU 80,6) und Macht (DE 59,5; EU 53,5) weist Deutschland jeweils überdurchschnittliche Werte auf. Eine besonders starke Entwicklung ist seit 2010 insbesondere im Bereich Macht zu erkennen (+21,2 Punkte). In den Bereichen Arbeit (DE 72,1; EU 72,2) und Zeit (DE 65,0; EU 65,7) liegt Deutschland leicht unter dem EU-Durchschnitt. Raum für Verbesserung besteht vor allem im Bereich Wissen (DE 54,0; EU 63,6). Deutschland belegt in diesem Bereich den 25. Platz. Zurückzuführen ist dieser Wert auf die Geschlechtersegregation[1], welche das Bildungssystem prägt. Das EIGE nennt hier die Tatsache, dass die ungleiche Konzentration von Frauen und Männern insbesondere in den Studienfächern Lehramt, Gesundheits- und Geisteswissenschaften sowie Kunst ein anhaltendes Problem in Deutschland im Bereich Bildung darstellt. Diesem muss deshalb aktiv entgegengewirkt werden.
Zum ausführlichen Gleichstellungsindex (in englischer Sprache): https://eige.europa.eu/gender-equality-index/2020
Zum Kurzbericht über Deutschland (in englischer Sprache): https://eige.europa.eu/publications/gender-equality-index-2020-germany
[1] Geschlechtersegregation beschreibt die Ungleichverteilung von Berufs- und Lebenschancen von Frauen und Männern. Es wird auch von Frauen- oder Männerdomänen gesprochen.
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Wolf Krämer
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