Martin à Nijeholt/ Dr. Martina Hilger, Europaabteilung
Missstände auf europäischer Ebene adressieren, die EU-Verwaltungspraxis transparent machen und optimieren und den Bürger*innen eine Anlaufstelle für ihre Probleme mit Vorgängen auf europäischer Ebene geben: Um all dies zu leisten wurde 1994 nach skandinavischen Vorbild der Europäische Ombudsmann im Vertrag von Maastricht verankert.
Auf der Rechtsgrundlage von Artikel 228 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union untersucht der Europäische Ombudsmann, auch Europäische*r Bürgerbeauftragte*r genannt, nun seit 1995 Beschwerden über die Verwaltungstätigkeit der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, wobei Beschwerden von natürlichen und juristischen Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat der EU entgegengenommen werden. Er prüft die ihm übermittelten Sachverhalte und sucht bei berechtigten Anliegen nach Lösungen.
Dabei kann es um Fragen zu Prozessen der Entscheidungsfindung in den Institutionen, über Zugang zu Dokumenten sowie um Interessenskonflikte von Europaparlamentsabgeordneten, Kommissar*innen der Europäischen Kommission oder Abgeordneten in anderen Institutionen der EU gehen. Die Kompetenzen des Ombudsmannes beinhalten unter anderem das Recht EU-Dokumente zu begutachten, Abgeordnete zu Gesprächen vorzuladen, sowie eigenständig Recherchen zu allen Themen seiner Wahl anzustellen. Der Europäische Ombudsmann agiert dabei autonom, er oder sie arbeitet vollkommen unabhängig und überparteiisch.
1995 wählte das Europäische Parlament mit Jacob Söderman aus Finnland den ersten Ombudsmann (Amtszeit: 1. September 1995 – 31. März 2003). Ihm folgte Nikiforos Diamandouros aus Griechenland (1. April 2003 – 30. September 2013). Aktuell ist Emily O’Reilly (Irland) als erste Frau Ombudsmann der EU. Sie hat dieses Amt nun in der zweiten Amtsperiode inne.
Der Hauptsitz des Europäischen Ombudsmannes befindet sich in Straßburg. Dazu gibt es außerdem ein Büro in Brüssel. Aktuell sind standortübergreifend in der dem EU Parlament angegliederten Einrichtung 83 Mitarbeiter*innen tätig.
Im Jahr 2019 lag die Anzahl der neuen Beschwerden bei 2201, von denen 871 in den Aufgabenbereich des Bürgerbeauftragten fielen (40 %). Von allen Beschwerden im Jahr 2019 richteten sich 60 % gegen die Europäische Kommission und 10 % gegen das europäische Amt für Personalauswahl. Der häufigste Untersuchungsschwerpunkt lag im Bereich der Transparenz (27 %). Die meisten Beschwerden kamen 2019 aus Spanien (285), gefolgt von Deutschland (227) und an dritter Stelle Belgien (203).
Am 26. Oktober 2020 wurde – wie in Coronazeiten üblich im Rahmen einer Online-Veranstaltung – das 25-Jährige Bestehen des Europäischen Ombudsmannes gefeiert. Emily O’Reilly unterstrich in der Veranstaltung die Notwendigkeit der Beteiligung einer/ s jeden Bürgers/ Bürgerin: „Die Zivilgesellschaft muss uns nahe sein, sie schlägt oft die Brücke, sie weist uns auf Angelegenheiten hin, die wir angehen müssen“. Ergänzend dazu sagte sie ebenfalls, dass der Europäische Ombudsmann nicht nur auf Anfragen der Bürger*innen wartet, sondern diese kritische Funktion auch proaktiv ausübt.
Der Fokus des Europäischen Ombudsmannes liegt in dieser Amtsperiode insbesondere auf der Sichtbar-Machung und der Bekämpfung von systemischen Problemen der EU. Frau O’Reilly führte aus, dass die eigene Sichtbarkeit des Amtes erhöht werden soll. Dies soll insbesondere mit Hinblick auf die Presse- und Außenwahrnehmung geschehen, da in diesem Bereich momentan ein großer Umbruch stattfindet (Umgang mit Fake-News etc.). Weitere Mitglieder der europäischen Politik haben während der Konferenz betont, dass der Europäische Ombudsmann in der EU eine außerordentliche Rolle einnimmt und eine besondere Verantwortung in der Transparent-Machung von Missständen in der öffentlichen Verwaltung und beim Abbau von Hürden im Umgang mit Einrichtungen der EU trägt.
Insgesamt kann man sagen, dass die Einrichtung des Europäischen Ombudsmannes nicht nur angenommen wird, sondern sich auch aufgrund von Kompetenz einen guten Ruf und einen festen Platz in der europäischen Gesellschaft und dort insbesondere in der Verwaltungslandschaft erarbeitet hat. Die Einrichtung des Europäischen Ombudsmannes ist eine feste Säule in der Wahrnehmung und Lösung der Probleme europäischer Bürger*innen.
Das Wort „Europäischer Ombudsmann“ ist übrigens ein vom Geschlecht unabhängiger Begriff. Er stammt aus Schweden, wo der Begriff 1809 erstmals auch in der Verfassung verankert wurde.
Links dazu:
- Die Feier: https://www.ombudsman.europa.eu/en/multimedia/videos/en/3792
- Der Ombudsmann: https://www.ombudsman.europa.eu/
Kontakt
Dr. Martina Hilger
Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa
Landesvertretung Brüssel
Referentin für Wissenschaft, Gesundheit, Verbraucherschutz und Kultur
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