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Wie der Bremer Energiemix 2050 aussieht

swb-Kraftwerksstandort Mittelsbüren, Bild: swb AG

Bremen ist auf dem Weg in eine CO2-freie Zukunft. Ein regenerativer Energiemix spielt in der Hansestadt dabei eine Schlüsselrolle. Neben der Stromerzeugung verändert sich auch der Mobilitätssektor in den kommenden 30 Jahren.

Eine tragende Rolle in dieser Umstellung spielt der bremische Energieversorger swb AG. Aus diesem Grund haben wir uns mit Dr. Thomas Kalkau, Leiter des Kraftwerksstandorts Mittelsbüren, swb Erzeugung, und Geschäftsführer der INGAVER GmbH unterhalten, wie sich das Unternehmen auf diese Veränderung vorbereitet.

Herr Dr. Kalkau, die Energiewende ist in vollem Gange. Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Wie sieht es im Jahr 2050 in Bremen aus?

Kalkau: Aller Voraussicht nach werden Strom und Wärme aus regenerativen Quellen die dominierenden Energieformen sein. Fossile Energieträger wie Diesel, Heizöl, Kohle oder Erdgas würden nur noch in Nischen verwendet.

Der heute bereits absehbare massive Anstieg der Stromnutzung in den Bereichen Mobilität und Wärmeerzeugung wird zu einem starken Anstieg des Strombedarfs in Bremen führen. Mit welchen Anteilen die heutige energetische Verwertung von Abfällen eine Rolle spielt, wird maßgeblich von der Entwicklung der Abfallmengen abhängen. Aber auch biogene Reststoffe oder andere nachwachsende Rohstoffe werden eine wichtige Rolle im Energiemix 2050 einnehmen.
Als Stadtstaat fehlen Bremen große Flächen für Solar- oder Windenergie. Lassen sich dennoch regenerativen Energien im Stadtraum produzieren, zum Beispiel auf Häuser- und Hallendächern?

Kalkau: Bezogen auf die aktuelle Stromerzeugung in Bremen hat Photovoltaik Wachstumspotential. Hier kann die Erzeugung um ein Mehrfaches gesteigert werden, auch, wenn Photovoltaik insgesamt wohl eher einen kleinen aber wertvollen Beitrag zum zukünftigen Energiemix Bremens leisten wird. Eine Abschätzung der Bremischen Bürgerschaft ergab (Weser Kurier vom 5. Juni 2020), dass theoretisch bis zu 40 Prozent des Strombedarfs (ohne Stahlwerk) vom Land Bremen durch Photovoltaik produziert/abgedeckt werden könnte. Zweifelhaft ist, ob tatsächlich so viele Gebäude für eine PV-Anlage geeignet sind. Denn häufig lässt schon die Dachstatik die Installation einer PV-Anlage nicht zu. Bremen ist und bleibt ein großer Energie-Importeur.

Wie gelangt der künftige Energiemix nach Bremen? Gibt es genügend Stromtrassen oder Pipelines?

Kalkau: Wir planen heute bereits unsere Anbindungen an das Europäische Verbundnetz auszubauen. Die Bremer Industrie ist dafür der Treiber. Zum Beispiel für unser Projekt „HyBit“ werden wir für die Umsetzung der Ausbaustufen eine zusätzliche Anbindung an das europäische Verbundnetz benötigen.

Bremen ist Teilnehmerland an der norddeutschen Wasserstoffstrategie. Welche Rolle für Fahrzeuge wird Wasserstoff in Zukunft spielen und welche Batterieantriebe? Welche Extrakapazitäten müssen dafür geschaffen werden?

Kalkau: Für Bremen als Logistikstandort kann Wasserstoff eine wichtige Rolle im Bereich des Schwerlastverkehrs spielen. Für LKW und gegebenenfalls in der Schifffahrt. Batterieantriebe könnten bei Autoverkehr und auch beim innerstädtischen Verkehr dominieren. Die starke Verbreitung von Batterieantrieben und die verstärkte Nutzung von Strom im Wärmebereich werden erhebliche Investitionen in das Stromnetz erfordern.

Porsche hat kürzlich das Thema E-Fuels in die Öffentlichkeit gebracht, also aus Wasserstoff hergestellte künstliche Kraftstoffe wie Methan, Methanol oder Kerosin. Wie sehen Sie da die Marktchancen?

Kalkau: Auch E-Fuels könnten in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, vor allem in der Schifffahrt und der Luftfahrt. Für swb kann die Produktion von E-Fuels ein mögliches zukünftiges Geschäftsfeld sein. Einige unserer heutigen Kraftwerksstandorte sind gut dafür geeignet. Aber das wird sich erst dann entscheiden, wenn Wasserstoff in großen Mengen zu günstigen Preisen zur Verfügung steht – voraussichtlich erst in einem Jahrzehnt.

Viele Kritiker führen oft das Thema Netzstabilität/Grundlastversorgung als Gegenargument gegen einen regenerativen Energiemix an. Also die Frage, wie man mit wechselnden Lasten umgeht, wenn zum Beispiel die Sonne nachts nicht scheint oder Flaute herrscht. Wie sehen Sie das?

Kalkau: Diese Argumente sind sehr berechtigt. Es bedarf zusätzlichem Aufwand, um die Netzstabilität und Grundlastversorgung zukünftig zu sichern. Innovative, intelligente Lösungen können dazu wichtige Beiträge leisten. Dazu werden verschiedene Energiespeicher benötigt, um das Netz zu stabilisieren und die Grundversorgung zu sichern, einschließlich eines Langzeitspeichers wie Wasserstoff.

Auch im Jahr 2050 würden demnach noch Spitzenlast- und Reservekraftwerke benötigt, die dann aber vorwiegend mit regenerativem Wasserstoff oder ähnlichem betrieben werden. Die weitere Integration regenerativer Energien ist technisch möglich und gewollt. Sie benötigt neben den notwendigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch ambitionierte Innovationen in die Weiterentwicklung des Strommarktdesigns, also in die Organisation des Stromgroßhandelsmarkts, um auch in Zukunft die Sicherheit der Stromversorgung zu gewährleisten.
Wie bereitet sich die swb auf diese Entwicklungen derzeit vor und welche Investitionen sind in Zukunft nötig?

Kalkau: Die swb ist sehr aktiv an der Gestaltung der Zukunft engagiert. Aktuell investieren wir direkt in CO2-minimierende Projekte, wie in den Ausbau der CO2-armen Fernwärme durch den Bau der Verbindungsleitung vom Müllheizkraftwerk nach Hastedt sowie dem Bau eines hochmodernen 100MW Blockheizkraftwerkes. Dies ermöglicht den schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung.

Ein weiterer zukünftiger großer Teil der Investitionen erfolgt in die Modernisierung und Erweiterung des Stromnetzes. Selbstverständlich behalten wird dabei immer das Fernziel im Auge, weitestgehend auf regenerative Energien umzustellen.

Eines der nächsten konkreten Vorhaben ist unser Wasserstoff-Projekt „HyBiT” („Hydrogen for Bremen’s industrial transformation“). Dabei soll am Kraftwerkstandort Mittelsbüren eine Elektrolyse-Anlage entstehen, die das Stahlwerk von ArcelorMittal und den Mobilitätssektor mit grünem Wasserstoff versorgt. Im ersten Schritt mit bis zu 24 Megawatt Leistung, in weiteren geplanten Ausbaustufen bis zu 300 Megawatt.

Kann der Standort des Kohlekraftwerks Hafen, das perspektivisch stillgelegt wird, bei der Energieversorgung in Zukunft eine Rolle spielen? Dort gäbe es dann einen „freien“ Stromanschluss, eine freie Industriefläche und im Prinzip auch einen Fernwärmeanschluss.

Kalkau: Das Kraftwerk Hafen kann bei der zukünftigen Energieversorgung Bremens verschiedene wichtige Rollen spielen. Der Standort ist zum Beispiel für die Errichtung eines großen Energiespeichers oder einer Wasserstoff- oder E-Fuel-Produktion geeignet.

Herr Dr. Kalkau, vielen Dank für das Gespräch!

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