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Warum New Work mehr als nur ein Hype ist

Stammtisch für Personalverantwortliche, Bild: WFB/Michael Bahlo

Auf den ersten Blick hat New Work nichts mit der Digitalisierung zu tun. Schließlich stammt der Begriff aus den 70ern, wo Heimcomputer eine Seltenheit waren – ganz zu schweigen von der Digitalisierung am Arbeitsplatz.

Und doch passt das Konzept in unsere heutige Zeit. Es ist kein Zufall, dass New Work immer öfter im Kontext mit digitaler Transformation genannt wird.

Entwickelt vom Soziologen Frithjof Bergmann 1977, unterscheidet sich New Work von „Old Work“ in einem simplen Punkt: Arbeit wird nicht länger als Mittel zum Zweck angesehen, sondern als erstrebenswertes Ziel. Arbeit soll nicht länger dazu dienen, eine vorgegebene Aufgabe zu erfüllen („baue ein Auto und erhalte dafür Geld“), sondern Teil der Selbstverwirklichung des Menschen sein („Ich mache, was ich wirklich will“).

Warum New Work heute wichtig wird

Ein hehres Ideal – aber warum kommt das Konzept gerade jetzt wieder auf? Die Digitalisierung aber auch der demografische Wandel verändern unser Verhältnis zur Arbeit. Früher rangen viele Arbeitnehmende um einen Job, heute herrscht in Branchen mit Fachkräftemangel ein reger Wettbewerb der Arbeitgebenden um potenzielle Angestellte. Menschen können sich aussuchen, wo sie arbeiten und sie stellen sich deshalb Fragen: Warum soll ich ausgerechnet dort arbeiten? Was bringt mir ein Job außer Geld? Wo arbeitet es sich vielleicht besser? Neue Technologien wie Home Office und Smartphones verändern unser Verhältnis zur Arbeit. Beruf und Privatleben wollen ganz individuell vereinbart werden.

Gleichzeitig steigt durch die Digitalisierung die Anforderung an Organisationen, wandelbar zu sein und auf die Dynamik der Märkte zu reagieren. Die Veränderungsgeschwindigkeit zwingt zu flacheren Hierarchien, denn Bürokratien sind oft zu langsam, um kurzfristigen Änderungen gerecht zu werden. Wenn über jede neue Idee zunächst der Vorgesetzte entscheiden muss und dieser erst noch mit seinem Chef Rücksprache hält, können Wochen und Monate vergehen, bevor es zu nennenswerten Fortschritten kommt.

Flachere Hierarchien erfordern jedoch eine höhere Eigenverantwortung des Individuums. Jeder und jede muss selbstständig die richtigen Entscheidungen treffen können. Aber was sind richtige Entscheidungen? Wie kann ein Unternehmen sicherstellen, dass die Angestellten in Eigenverantwortung dieselben Ziele verfolgen?

Zudem braucht es Kreativität, um neue Lösungen für die Herausforderungen zu finden – und die entsteht nur, wenn Menschen Freiräume haben, kreativ zu werden. Das ist in traditionellen Strukturen mit strengen Hierarchien und langen Entscheidungswegen nicht immer möglich. Kreative Freiräume bedeuten, dass Fragen unter den Angestellten aufkommen: Warum mache ich diesen Job überhaupt? Was ist der Sinn und Zweck des Ganzen hier? Könnte ich nicht auch etwas machen, was mich mehr erfüllt? Schließlich wird meine Kompetenz doch überall gesucht. Und genau das ist der Kern von New Work – die Suche nach dem Sinn in der Arbeit.

Ist New Work ein Hype?

Wir sehen also: New Work ist nicht gleichbedeutend mit Digitalisierung, aber letztere beflügelt die Entstehung neuer Arbeitsformen. „Bei New Work geht es nicht um neue Technologien, es geht vielmehr um Unternehmenskultur“, sagt auch Andrea Kuhfuß, Beraterin bei der Bremer Kurswechsel GmbH, die Firmen bei der Organisationsentwicklung hilft. „Dabei meine ich nicht das Bällebad im Foyer oder den Tischkicker im Pausenraum, sondern die Entwicklung einer neuen Haltung.“

Ein Beispiel: flache Hierarchien werden oftmals als Teil von New Work angesehen, nach dem Motto „Weniger Hierarchie = Effizientere Organisation“. Aber was heißt es überhaupt, Managementebenen wegzunehmen? Kann eine Organisation damit umgehen – können Managerinnen und Manager damit umgehen, ihre Macht zu verlieren? Können alle Arbeitnehmende auf Knopfdruck selbstständiger arbeiten? Und wenn sie selbstständiger arbeiten, muss dann nicht klar sein, dass sie Entscheidungen nach eigenem Ermessen treffen? Wie befähigt man einen Angestellten, eigenverantwortlich zu handeln? All das ist Teil einer neuen Unternehmens- und Führungskultur.

Es zeigt sich: Um das Thema New Work drehen sich viele grundlegende Fragen und keine einzige ist leicht zu beantworten. Ist New Work also ein kurzfristiger Hype oder gar ein neues Buzzword? Nein, sagt Expertin Kuhfuß. „Das Thema Digitalisierung hatte noch nie so viel Bodennähe wie bei der Diskussion um New Work. Den Unternehmen heute ist klar: Es muss etwas Grundlegendes geschehen und blinder Aktionismus hilft nicht.“

Bremer Stammtisch für Personalverantwortliche

Und es geschieht etwas. In Bremen etwa beim Stammtisch für Personalverantwortliche. Ausgerichtet von der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa und organisiert von der Wirtschaftsförderung Bremen tauschen sich Personalverantwortliche regelmäßig zu aktuellen Themen und Trends aus. Denn gerade im Personalwesen sind die Veränderungen durch Digitalisierung und demografischen Wandel besonders stark zu spüren.

Das weiß nicht nur Andrea Kuhfuß, eine der Referentinnen des Stammtischs im Januar, sondern auch Jana Meitzner , selbständige Organisationsberaterin. „Die Rolle von Human Resources ist nicht länger die Verwaltung von Gehältern oder Jobs – das hat die Automatisierung digitalisiert. Es geht künftig um die Begleitung digitaler Transformationsprozesse“, sagt die Organisationsberaterin, die ebenfalls als Expertin auftrat.

Wichtig sei dabei stets die Rückendeckung der Geschäftsführung, denn ohne Unterstützung von oberster Stelle seien alle New Work-Anstrengungen zum Scheitern verurteilt.

Meitzner arbeitete mehrere Jahre im strategischen Personalwesen in der Automobilwirtschaft, bevor sie sich 2018 in Bremen selbstständig machte. In der Fahrzeugbranche bekam sie den Innovationsdruck hautnah mit, unter dem derzeit viele Unternehmen stehen. „Der Markt verlangt nach Veränderung und zwar schnell. Das ist nicht nur teuer, sondern erfordert auch Beschäftigte mit neuen Fähigkeiten – und die wiederum stellen neue Anforderungen an ihre Organisation“, so Meitzner.

Dabei sei auch in großen Unternehmen nicht immer klar, wo der Weg hinführe. „Führung muss sich ändern, dafür gibt es ein großes Bewusstsein. Aber welche Strukturen braucht ein Unternehmen und wie viele Hierarchiestufen sind sinnvoll? Wie passt man neue Formen der Arbeit an bestehende Kulturen an? Dafür gibt es kein Patentrezept“, führt sie weiter aus.

Dass es angesichts der vielen aktuellen Herausforderungen mit dem Stammtisch einen echten Erfahrungsaustausch der Personalverantwortlichen gibt, bewertet sie positiv. „Es gibt viele Netzwerkveranstaltungen, die wenig Ergebnisse liefern. Das ist hier anders.“ Besonders die Mischung aus Workshops, Vorträgen und freiem Austausch habe ihr das Gefühl gegeben, weiterzukommen. Der Stammtisch thematisiert an wechselnden Orten aktuelle Themen des Personalmanagements – New Work war eines der Themen.

Schule, Universitäten und Unternehmen an einen Tisch bringen

Auch Anja Oden ist davon überzeugt, dass das Treffen der Personalerinnen und Personaler eine hervorragende Idee ist. „Alle merken, in der Arbeitswelt tut sich etwas – aber keiner kann genau sagen, was passiert. Das liegt an der Komplexität der Thematik. Es gibt ein spürbar hohes Interesse – nicht nur an dem Thema, sondern auch an der Form von Vernetzung. Ich finde den Stammtisch daher eine wunderbare Idee.“ Oden ist Organisationexpertin von der Mercedes Benz AG und war Gastgeberin des Januar-Stammtischs.

Nach ihrer Meinung ist der Stammtisch jedoch nur der Anfang. „Ich fände es schön, wenn mehr Kooperationen zwischen kleinen, mittleren und großen Unternehmen entstehen würden.“ Unternehmen seien auch nicht die einzigen Institutionen, die im „New Work“ noch viel dazu lernen müssen. Oden: „Schule und Ausbildung sind nicht mitgekommen mit der Entwicklung. Und Absolventen sind oft nicht so weit, wie sie sein sollten. Das Thema Kooperation Schule/Hochschule und Unternehmen muss ausgebaut werden, man muss sich besser unterstützen.“ Aktionen wie der Stammtisch könnten zudem dem Nordwesten als Standort helfen: „Es gibt viel Unkenntnis über die Qualitäten der Stadt und der Region und über das, was hier angesiedelt ist.“

New Work ist kein Hype

Auf die Ausgangsfrage zurückkommend, ob New Work ein kurzfristiger Hype ist, sind sich alle drei Bremer Expertinnen einig: Sowohl der Marktdruck von außen als auch neue Ansprüche der Angestellten von innen zwingen Unternehmen dazu, sich mit neuen Formen der Arbeit auseinanderzusetzen.

Wie die Lösungen im Einzelnen aussehen, ist häufig noch völlig unklar und ein langer Prozess. Dabei muss nicht jedes Unternehmen zwingend jeden Trend mitmachen. Im Zuge von New Work fallen häufig Begriffe wie „Agiles Arbeiten“, „Scrum“, „Design Thinking“ oder andere moderne Arbeitsmethoden. Diese Methoden können helfen, aber nur wenn die Haltung hinter den Methoden stimme, seien sie auch erfolgreich, davon ist Oden überzeugt. „Als Arbeitssystem geht es bei New Work im höchsten Maß um „Verantwortung in Freiheit“ – das ist der Kern“, so Anja Oden. Alles andere könne dann darum herum entstehen.

Neue Arbeitsformen im Unternehmen implementieren

Sich mit New Work zu beschäftigen ist eine Herausforderung, für kleine wie große Unternehmen. Sich mit Anderen zu vernetzen und im gegenseitigen Austausch neue Lösungen zu finden, ist ein Ansatzpunkt, der Komplexität zu begegnen. In Bremen helfen zudem weitere Initiativen, einen Einstieg in das Thema zu erhalten:

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