Wo kann ich mein Elektroauto laden? Das fragen viele vor der Entscheidung für oder gegen ein E-Fahrzeug. Eine berechtigte Frage, denn Ladevorgänge benötigen im Gegensatz zum klassischen Tanken an der Tankstelle deutlich mehr Zeit.
Die Angst, dass einem auf der Straße plötzlich der Saft ausgeht und keine Steckdose in der Nähe ist, sei aber übertrieben. Dieser Ansicht ist zumindest Fred Jackisch, Produktmanager Elektromobilität beim Bremer Energiedienstleister swb. "Bis zu 85 Prozent aller Ladevorgänge finden zuhause oder auf dem Firmengelände statt. Die Reichweite moderner E-Fahrzeuge reicht für die meisten Nutzer für fast alle alltäglichen Fahrten aus – und falls doch mal nachgeladen werden muss, gibt es mittlerweile genügend öffentlich zugängliche Ladesäulen im swb Versorgungsgebiet", so der Experte.
Dabei zitiert Jackisch nicht nur die Statistik. Als begeisterter Elektropionier fährt er seit Jahren selbst die verschiedensten E-Fahrzeuge aus dem Fahrzeugpool des Unternehmens und hatte zwei Jahre lang einen eigenen E-Smart. Er liebt es, die Grenzen der Technik auszureizen, genießt das lautlose Dahingleiten und ist bei neuen Entwicklungen und aktuellen Modellen immer am Ball.
Ladeinfrastruktur in Bremen
Schon heute sei das Ladesäulennetz – mit Ökostrom – im Land Bremen gut ausgebaut, so Jackisch. Derzeit gibt es 233 öffentlich zugängliche Ladepunkte – an einer Ladesäule sind in der Regel zwei Ladepunkte installiert. Über Apps wie zum Beispiel "Punktladung" finden Nutzerinnen und Nutzer schnell die nächste freie Säule. Zudem sind die Bremer Parkhäuser der Brepark mit Wallboxen ausgestattet.
"Wir arbeiten stetig am weiteren Ausbau, der sich an der steigenden Zulassung von E-Fahrzeugen orientiert", so der Ingenieur. Die nächsten Jahre rechnet er laut Prognosen mit einer starken Zunahme an E-Fahrzeugen, denn viele Hersteller bringen allmählich ihre Marken in Stellung, investieren Milliarden in den Aufbau neuer Modelle.
Zugang zum Laden erhalten Kunden der swb etwa über eine Stromtankkarte, die nicht nur in Bremen funktioniert, sondern auch an ca. 90 Prozent der europaweit verfügbaren Ladepunkte.
Laden am Straßenrand
Dass noch nicht an jeder Ecke eine Ladesäule steht, hat verschiedene Gründe. Zum einen sind Ladestationen bisher noch ein Zuschussgeschäft. Derzeit werden sie zu selten genutzt und fahren die Installations- und Betriebskosten für die Betreiber noch nicht ein. Denn im Land Bremen gibt es bisher nur knapp 450 (Stand Jan. 2019) reine Elektrofahrzeuge. Bei einer Zielauslastung von zehn Fahrzeugen pro Ladepunkt könnten sich die Zulassungszahlen also selbst bei jetzigem Stand noch mehr als verfünffachen.
Und zum anderen ist der Aufbau von Stationen im öffentlichen Raum gar nicht so einfach. Während die Einrichtung auf Parkplätzen von Supermärkten, im Einzelhandel, bei Autohäusern oder an Park+Ride Stationen problemlos möglich ist, wird es komplexer, wenn Ladesäulen direkt am Straßenrand installiert werden sollen. Hier gibt das Amt für Straßen und Verkehr, das ASV, im Auftrag der Stadt die Rahmenbedingungen vor und erteilt dafür eine Sondernutzungserlaubnis.
Vielfach werden Säulen an Straßenlampen als eine Lösung diskutiert, die aber nach Ansicht von Jackisch in Bremen ausscheidet: "Zum einen stehen die Lampen in Bremen häufig nicht direkt am Straßenrand, sondern noch hinter Geh- und Fahrradweg – über die man schlecht ein Kabel legen kann. Und zum anderen sind die elektrischen Systeme der zum Teil schon auf LED-Technik umgerüsteten Lampen gar nicht auf solche starken Leistungen ausgelegt, wie sie E-Fahrzeuge benötigen."
Attraktive Geschäftsmodelle schaffen
Es ist also noch einige Arbeit zu tun, bis wirklich an jeder Straßenecke in Bremen und Bremerhaven eine Ladesäule steht. Aber schon heute beteiligt sich das Land daran, die Zukunft möglich zu machen. So ist Bremen neben Oslo und Barcelona Teil des EU-Projekts "GreenCharge". In ihm werden intelligente Netze, digitale Vertriebsmodelle und neue Anreize für die Nutzung von E-Mobilen erforscht.
Denn das bisher geringe Interesse an E-Fahrzeugen liegt neben der ungewohnten, neuen Technik, der scheinbar geringen Reichweite und dem kleinen Modellangebot auch an den hohen Anschaffungskosten. Der Norden Europas könnte da als Vorbild dienen. "Norwegen erhebt hohe Gewichts-, CO2- und Stickstoffsteuern für Verbrennungsfahrzeuge. E-Autos sind davon befreit und kosten damit weniger als ihre Gegenstücke", so Jackisch. "In Deutschland haben wir dagegen eine Subventionierung von Diesel. Hier muss ein Umdenken stattfinden, wenn wir vermehrt auf umweltfreundliche Fahrzeuge setzen wollen." Das Ergebnis der norwegischen Steuerpolitik ist deutlich: Schon heute werden dort mehr E-Fahrzeuge gekauft als Verbrenner.
Natürlich Ökostrom
Ein mehr an Elektroautos bedeutet auch einen höheren Strombedarf – der bei der swb im Übrigen rein aus den erneuerbaren Energien stammt. "An einigen Stellen werden wir die Stromnetze ausbauen müssen", schätzt Jackisch. Im Großen und Ganzen sähe er Bremen aber gut aufgestellt. "Die Wege sind kurz und wir können unsere Ideen schnell mit öffentlichen Behörden abstimmen, das ist schon ein Riesenvorteil in diesem Land."
Im Ganzen denken
Ein weiterer Riesenvorteil Bremens ist das Mobilitätsverhalten seiner Bürgerinnen und Bürger. Das Fahrrad ist beliebtes Verkehrsmittel, die Förderung von Pedelec-Nutzung und von E-Lastenfahrrädern (Beispiel: Das Projekt Urban-BRE) wie auch von Carsharing mit Elektromobilen hat große Chancen, die Elektromobilität auf weiteren Wegen voranzutreiben und das Stadtbild zu revolutionieren.
Denn auch E-Fahrzeuge benötigen viel Platz zum Parken. Wer aber Elektromobilität weiter denkt, schafft es, einen attraktiven Verkehrsmix zu gestalten, der für die unterschiedlichen Wege innerhalb einer Stadt wie Bremen oder Bremerhaven stets das ideale Mittel bereithält.
Dazu werden auch elektrisch betriebene Busse beitragen. Die Bremer Straßenbahn AG betreibt seit 2016 Versuchsfahrzeuge und plant die sukzessive Umstellung auf den Elektrobus bis 2035-2040. Für die CO2-Bilanz der Stadt haben sie sogar einen besonders positiven Effekt, denn jeder E-Bus spart die gleiche Menge an Schadstoffen wie rund 100 Pkw, aufgrund der hohen täglichen Fahrleistung eines Busses.